Lieben: Roman (German Edition)
diskriminierenden Lauf nahm. Das konnte ich natürlich nicht sagen. Zwei Mal wurde eingebrochen; als ich eines Morgens hinkam, war die Polizei da und stellte Fragen, Computer- und Fotoausrüstung waren gestohlen worden. Da die Außentür nicht aufgebrochen worden war, nur die in unsere Büros führende, kamen
die Beamten zu dem Schluss, dass es jemand getan haben musste, der einen Schlüssel hatte. Hinterher diskutierten wir darüber. Ich meinte, die Sache sei nun wirklich kein Buch mit sieben Siegeln. Immerhin hatten die anonymen Drogensüchtigen ihre Räume eine Etage tiefer. Bestimmt habe einer von ihnen einen Schlüssel in die Finger bekommen. Alle sahen mich an. So etwas kannst du nicht sagen, erklärte einer von ihnen. Ich sah ihn verständnislos an. Das sind Vorurteile, sagte er. Wir wissen doch gar nicht, wer es war. Es könnte wirklich jeder gewesen sein. Nur weil sie Drogensüchtige sind und eine schlimme Geschichte haben, heißt das noch lange nicht, dass sie hier einbrechen! Wir müssen ihnen schon eine Chance geben! Ich nickte und sagte, er habe Recht, wir könnten nur mutmaßen. Innerlich war ich jedoch erschüttert. Ich hatte die Clique gesehen, die vor und nach den Treffen im Treppenhaus herumlungerte, es waren Gestalten, die für Geld zu allem bereit gewesen wären, zum Teufel, das war kein Vorurteil, das lag verdammt nochmal auf der Hand.
Dies war das Schweden, von dem mir Geir erzählt hatte. Und daraufhin vermisste ich ihn, denn das wäre eine Geschichte nach seinem Geschmack gewesen. Aber er war in Bagdad.
Zu jener Zeit bekam ich noch Besuch aus Norwegen, einer nach dem anderen schaute in Stockholm vorbei. Ich führte meine Gäste herum, sie lernten Linda kennen, wir gingen essen, zogen weiter, betranken uns. An einem Wochenende im Spätwinter wollte Thure Erik in der alten Ente vorbeikommen, in der er seinen Worten zufolge einmal die Sahara durchquert hatte, um nie mehr nach Norwegen zurückzukehren. Das hatte er getan, und dort hatte er einen Roman geschrieben, der mir viel bedeutete, er hieß Zalep , und ich mochte ihn so unheimlich, weil das Denken darin so radikal war, so anders
als alles andere, was in norwegischen Romanen gedacht wurde, weil das Buch so kompromisslos und seine Sprache so einzigartig, so ganz eigen war. Seltsam war, wie viel von dieser Sprache zu seinem Charakter gehörte oder mit diesem in Einklang stand, was ich nicht bemerkt hatte, als wir uns das erste Mal trafen, denn es war eine äußerst oberflächliche Begegnung im Haus der Künstler gewesen, jedoch beim zweiten und dritten und vierten Mal und vor allem in jenen Wochen, in denen wir in zwei Hütten auf einem winterlich verlassenen Campingplatz in der Telemark gewohnt hatten, während der Fluss in der Nähe rauschte und sich der Nachthimmel voller Sterne über uns wölbte. Er war ein großer Mann mit riesigen Fäusten und einem knorrigen Gesicht, seine Augen waren lebendig und enthüllten stets unverfälscht seine Gemütsverfassung. Da ich seine Romane bewunderte, fiel es mir schwer, mit ihm zu sprechen, denn alles, was ich sagte, war doch dumm und konnte sich mit dem, was er machte, nicht messen, aber dort, in der Telemark, wo wir zusammen frühstückten, gemeinsam die zwei Kilometer zur Schule trotteten, zusammen unterrichteten, zusammen zu Abend aßen und anschließend Kaffee oder Bier tranken, führte kein Weg daran vorbei. Wir mussten uns unterhalten. Er erzählte, dass der Bahnhof vor Bø Juksebø heiße, also Witz-Bø, worüber er lange und laut lachte. Ich ließ mir ein ähnliches Sprachspiel einfallen, über das er noch mehr lachte, und damit hatte sich das Problem erledigt. Er lief auf Hochtouren, alles weckte sein Interesse und brach sich irgendwie an ihm und wurde dadurch größer, denn alles in ihm bewegte sich zu einem weiteren Horizont, sein Hunger auf Extremes war groß, wodurch die Welt ringsum fortwährend in einem neuen Licht erschien, einem thure-eriklund-artigen Licht, aber gleichwohl nichtnur gültig für ihn, denn das Idiosynkratische daran brach auch an etwas in ihm, an einer Tradition, seiner Belesenheit.
Nur wenige Menschen begegnen der Welt mit solcher Kraft.
Mir schenkte er seine Aufmerksamkeit, und ich fühlte mich wie eine Art kleiner Bruder, wie jemand, um den er sich kümmerte und dem er Dinge zeigen wollte, gleichzeitig war er neugierig darauf, was mir das HierHier, wie er sich ausdrückte, brachte. Eines Abends fragte er mich, ob ich etwas lesen wolle, was er geschrieben
Weitere Kostenlose Bücher