Lieben: Roman (German Edition)
jemanden
zu bitten, etwas langsamer zu fahren, meine Liebste ist schwanger?
Vor allem, da Lindas Angst und Besorgnis einen anderen Ausgangspunkt hatte als den üblichen. Es war erst drei Jahre her, dass sie aus der Klinik entlassen worden war, nachdem sie zwei Jahre manisch-depressiv gewesen war. Ein Kind zu bekommen, nachdem sie das durchlebt hatte, war nicht ohne Risiko, sie hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würde. Wurde sie womöglich in einen neuen manisch-depressiven Zustand geschleudert? Der vielleicht so geartet war, dass sie wieder eingewiesen werden musste? Und was würde dann mit dem Kind passieren? Gleichzeitig war sie da wieder heraus gekommen und heute in einer ganz anderen Weise in der Welt verankert, als sie es vor ihrem Zusammenbruch gewesen war, und ich, der ich sie fast ein Jahr gesehen hatte, wusste, dass es gut gehen würde. Ich betrachtete das, was geschehen war, als eine Krise. Sie war groß und umfassend gewesen, aber überwunden. Heute war sie gesund und munter, und die Stimmungsschwankungen, die es in ihrem Leben noch gab, lagen ausnahmslos im Rahmen des Normalen.
Wir reisten weiter nach Moss, wo uns Espen auf dem Bahnhof abholte, und fuhren zu ihrem Haus in Larkollen. Linda hatte leichtes Fieber und legte sich hin, Espen und ich gingen zu einem Sportplatz in der Nähe und spielten ein bisschen Fußball. Am Abend grillten wir, und ich blieb mit Espen und Anne und später nur mit Espen sitzen. Linda schlief. Am nächsten Tag fuhr Espen uns zu dem Sommerhaus auf Jeløya, wo wir eine Woche blieben, während sie nach Stockholm reisten und in unsere Wohnung zogen. Ich stand gegen fünf Uhr auf und schrieb an meinem Roman, denn dazu entwickelte sich mein Manuskript inzwischen, bis Linda gegen zehn Uhr aufstand. Wir frühstückten, ich las ihr ab und zu vor, was ich geschrieben hatte, sie fand es immer sehr gut, wir gingen an
einem Strand schwimmen, der zwei Kilometer entfernt lag, kauften ein und kochten, ich angelte nachmittags ein wenig, während sie schlief, und an den Abenden machten wir ein Feuer im Kamin und saßen davor und unterhielten uns oder lasen oder liebten uns. Als die Woche vorbei war, nahmen wir den Zug von Moss nach Oslo und fuhren mit der Bergenbahn weiter nach Flåm, wo wir das Schiff nach Balestrand nahmen und in Kviknes Hotel übernachteten, um am nächsten Tag die Fähre nach Fjærland zu nehmen. Dort trafen wir Tomas Espedal, der mit einem Freund auf einer Wanderung war, die beiden wollten zu einer Hütte, die dieser in Sunnfjord besaß. Seit meiner Zeit in Bergen hatte ich ihn nicht mehr gesehen, und allein schon, ihn zu sehen, begeisterte mich, denn er war einer der besten Menschen, denen ich jemals begegnet war. Auf dem Kai in Fjærland erwartete uns Mutter, und wir fuhren am Gletscher vorbei, der sich grauweiß glänzend vom blauen Himmel absetzte, und dann durch den langen Tunnel in das schmale und finstere Tal hinein, in dem so oft Lawinen abgingen, und nach Skei, wo sich die sanfte und fruchtbare Jølsterlandschaft öffnete.
Es war Lindas und Mutters dritte Begegnung, und die Distanz, die ich augenblicklich wahrnahm, versuchte ich während der restlichen Zeit erfolglos zu überbrücken, aber ich stieß immer wieder auf Widerstand, fast nichts lief von selbst. Wenn es das einmal tat und ich Linda zum Leben erwachen und etwas erzählen sah, worauf Mutter einging, freute ich mich übertrieben, merkte es und sehnte mich fort.
Dann bekam Linda Blutungen. Sie hatte Todesangst, wirklich Todesangst, wollte sofort abreisen, rief in Stockholm an und sprach mit ihrer Hebamme, die natürlich nichts sagen konnte, ohne sie untersucht zu haben, was Linda noch mehr verängstigte, und dass ich sagte, das geht schon gut, das geht ganz bestimmt gut, das ist doch nicht weiter schlimm, war
wenig hilfreich, denn woher wollte ich das wissen? Welche Autorität besaß ich in dieser Frage? Sie wollte abreisen, ich sagte, wir bleiben, und am Ende, als sie sich einverstanden erklärte, war das Ganze zu meiner Verantwortung geworden, denn wenn es jetzt schiefging oder schiefgegangen wäre, hatte ich darauf gedrängt, die Sache nicht untersuchen zu lassen, sondern abzuwarten.
Lindas gesamte Energie war darauf gerichtet, ich sah, dass es das Einzige war, woran sie denken konnte, die Angst nagte und zerrte an ihr; wenn wir aßen oder abends zusammen waren, sagte sie nichts mehr, und wenn sie herunterkam, nachdem sie in der oberen Etage geschlafen hatte und Mutter und mich im Garten
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