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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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sitzend in ein Gespräch vertieft fand, machte sie kehrt und ging mit Augen fort, die schwarz vor Zorn waren, und ich kannte den Grund: Wir redeten, als wäre nichts gewesen, als spielten ihre Gefühle keine Rolle. Und so war es und war es andererseits auch nicht. Ich nahm zwar an, dass alles gut gehen würde, war jedoch nicht sicher, gleichzeitig waren wir dort Gäste, und es war mehr als ein halbes Jahr her, dass ich meine Mutter gesehen hatte, es gab viel zu erzählen, und was brachte es, nichts zu sagen, sich schweigend durch die große, aufreibende und allumfassende Furcht zu bewegen? Ich umarmte sie, ich tröstete sie, versuchte zu sagen, dass es bestimmt gut gehen würde, aber sie wollte es nicht annehmen und sie wollte nicht dort sein. Wenn Mutter sie nach etwas fragte, antwortete sie einsilbig. Auf den Spaziergängen, die wir im Tal machten, schimpfte sie über meine Mutter und ihr ganzes Wesen. Ich verteidigte sie, wir schrien uns an, sie drehte sich um und ging alleine davon, ich lief ihr hinterher, es war ein Alptraum, aber wie bei jedem Alptraum gab es auch aus diesem ein Erwachen. Doch zuvor eine letzte Szene: Mutter fuhr uns nach Florø hinaus, von wo aus wir die Fähre nehmen wollten. Wir waren zu früh und beschlossen, gemeinsam
zu Mittag zu essen, fanden ein Restaurant auf einer Art Floß, setzten uns, bestellten Fischsuppe. Sie kam und schmeckte grauenvoll, fast nur nach Butter.
    »Ich kann das nicht essen«, sagte Linda.
    »Nein, es schmeckt wirklich nicht besonders«, sagte ich.
    »Wir müssen der Kellnerin Bescheid sagen und sie bitten, uns etwas anderes zu bringen«, sagte Linda.
    Etwas Peinlicheres, als Essen in die Küche zurückgehen zu lassen, konnte ich mir nicht vorstellen. Und dies war trotz allem Florø, nicht Stockholm oder Paris. Andererseits hätte ich eine noch größere Verstimmung nicht ertragen und winkte deshalb die Kellnerin heran.
    »Die Suppe schmeckt uns leider nicht so richtig«, sagte ich. »Meinen Sie, wir könnten ein anderes Gericht bekommen?«
    Die robuste Kellnerin mittleren Alters mit schlecht gefärbten blonden Haaren sah mich missbilligend an.
    »An dem Essen kann eigentlich nichts auszusetzen sein«, erklärte sie. »Aber wenn Sie meinen, gehe ich in die Küche und frage den Koch.«
    Mit drei vollen Tellern Suppe vor uns saßen wir schweigend am Tisch, meine Mutter, Linda und ich.
    Die Kellnerin kam zurück und schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Der Koch sagt, an der Suppe ist nichts auszusetzen. Sie schmeckt, wie sie schmecken soll.«
    Was sollten wir tun?
    Da lasse ich ein einziges Mal in meinem Leben etwas in die Küche zurückgehen und sie weigern sich, es zu akzeptieren. Überall auf der Welt hätten sie uns etwas anderes gebracht, aber nicht in Florø. Vor Scham und Ärger war mein Gesicht puterrot. Wäre ich allein gewesen, ich hätte diese vermaledeite Suppe natürlich gegessen, egal, wie schlecht sie war. Jetzt hatte ich mich beschwert, wie peinlich und unnötig dies
in meinen Augen auch sein mochte, und dann setzten sie mir Widerstand entgegen?
    Ich stand auf.
    »Ich gehe mal rein und spreche kurz mit dem Koch«, sagte ich.
    »Tun Sie das«, sagte die Kellnerin.
    Ich ging den Ponton hinab in die Küche, die an Land lag, schob den Kopf über einen Tresen und zog die Aufmerksamkeit nicht eines kleinen Dickwanstes, wie ich mir vorgestellt hatte, sondern eines großen und kräftigen Mannes in meinem Alter auf mich.
    »Wir haben die Fischsuppe bestellt«, sagte ich. »Sie schmeckt ein bisschen zu sehr nach Butter, sie ist leider kaum essbar. Meinen Sie nicht, wir könnten etwas anderes bekommen?«
    »Sie schmeckt, wie sie schmecken soll«, erwiderte er. »Sie haben eine Fischsuppe bestellt, und Sie haben eine Fischsuppe bekommen. Ich kann Ihnen nicht helfen.«
    Ich ging zurück. Linda und Mutter schauten zu mir hoch. Ich schüttelte den Kopf.
    »Nichts zu machen«, sagte ich.
    »Vielleicht sollte ich es mal versuchen«, sagte Mutter. »Ich bin immerhin eine ältere Dame, das könnte eventuell helfen.«
    Es mochte vielleicht wider meine Natur sein, mich in einem Restaurant zu beschweren, aber gegen die meiner Mutter war es auf jeden Fall.
    »Das brauchst du nicht«, sagte ich. »Wir gehen einfach.«
    »Ich versuche es mal«, sagte sie.
    Wenige Minuten später kam sie zurück. Auch sie schüttelte den Kopf.
    »Ja, ja«, sagte ich. »Ich habe zwar Hunger, aber nach all dem können wir diese Fischsuppe nun wirklich nicht mehr essen.«
    Wir

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