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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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in unserem Leben so.
    »Halten wir Stalker durch?«, sagte ich und drehte mich zu ihr um.
    »Ich habe nichts dagegen«, sagte sie. »Leg ihn ein, dann schauen wir mal.«
    Ich legte den Film in den DVD-Player ein, schaltete die Deckenlampe aus, schenkte mir ein Glas Rotwein ein und setzte mich neben Linda, griff nach der Fernbedienung und wählte die Untertitel aus. Sie kuschelte sich an mich.
    »Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich einschlafe?«, sagte sie.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte ich und legte den Arm um sie.
    Den Anfang mit dem Mann, der in einem dunklen, feuchten Zimmer erwacht, hatte ich schon mindestens drei Mal gesehen. Der Tisch mit den vielen kleinen Gegenständen, die wackeln, als ein Zug vorbeifährt. Die Rasur vor dem Spiegel, die Frau, die vergeblich versucht, ihn zurückzuhalten. Viel weiter war ich nie gekommen.
    Linda legte die Hand auf meine Brust und sah zu mir hoch. Ich küsste sie, und sie schloss die Augen. Ich strich über ihren
Rücken, sie klammerte sich fest an mich, ich legte sie zurück, küsste ihren Hals, die Wange, den Mund, legte den Kopf an ihre Brust, hörte ihr Herz schlagen und schlagen, zog ihr die weiche Jogginghose aus, küsste ihren Bauch, ihre Schenkel … Sie sah mich mit ihrem dunklen Blick an, mit ihren schönen Augen, die sich schlossen, als ich in sie eindrang. Wir haben nichts zum Verhüten, flüsterte sie. Willst du nichts holen? Nein, sagte ich. Nein. Und als ich kam, kam ich in ihr. Das war das Einzige, was ich wollte.
    Hinterher lagen wir lange wortlos nebeneinander auf der Couch.
    »Jetzt bekommen wir noch ein Kind«, sagte ich nach einer Weile. »Bist du dazu bereit?«
    »Ja«, sagte sie. »Oh ja, das bin ich.«
     
    Am nächsten Morgen wachte Vanja wie üblich um fünf Uhr auf. Während Linda sie in unser Bett holte und noch ein paar Stunden mit ihr weiterschlief, stand ich auf, holte das Notebook heraus und begann an der Übersetzung zu arbeiten, die ich betreute. Die Arbeit war langweilig und nahm kein Ende, ich hatte bereits dreißig Seiten geschrieben, und das zu einem Band mit Erzählungen, der nicht mehr als hundertvierzig Seiten umfasste. Trotzdem freute ich mich auf sie und genoss es, dort zu sitzen. Ich war allein und arbeitete an einem Text. Mehr brauchte ich nicht. Es ging allerdings auch um die kleinen Augenblicke, die dazu gehörten; die Kaffeemaschine anzustellen, das Geräusch des durchlaufenden Wassers zu hören, der Geruch des frisch aufgebrühten Kaffees, im Hinterhof zu stehen, bevor irgendwer aufgestanden war, den Kaffee zu trinken, während ich die erste Zigarette des Tages rauchte. Wieder nach oben zu gehen und zu arbeiten, während der Raum zwischen den Häusern schrittweise heller wurde und auf den Straßen immer mehr vorging. An diesem Morgen war
das Licht und damit auch die Stimmung in der Wohnung verändert, da im Laufe der Nacht eine dünne Schneeschicht gefallen war. Um acht schaltete ich das Notebook aus, legte es in die Tasche zurück und ging zu der kleinen Bäckerei, die hundert Meter die Straße hinunter lag. Die Markisen entlang der Häuserreihe schlugen über mir im Wind. Auf der Straße war der Schnee bereits geschmolzen, auf dem Bürgersteig lag er dagegen noch, durchzogen von den Spuren der Menschen, die dort im Laufe der Nacht gegangen waren. Momentan war niemand zu sehen. Die Bäckerei, deren Tür ich einen Augenblick später öffnete, war winzig und wurde von zwei Frauen in meinem Alter betrieben. Sie zu betreten hieß, in einen dieser Noir-Filme aus den Vierzigern zu treten, in denen alle Frauen, selbst wenn sie in einem Kiosk arbeiteten oder in einem Bürogebäude den Fußboden putzten, auffallend schön sind. Die eine hatte rote Haare, weißen Teint und Sommersprossen, markante Gesichtszüge und grüne Augen. Die andere hatte lange dunkle Haare, eine etwas viereckige Gesichtsform und freundliche, dunkelblaue Augen. Beide waren groß und schlank und hatten stets Mehl irgendwo am Körper. Auf der Stirn, der Wange, den Händen, an der Schürze. An der Wand hingen Zeitungsausschnitte, denen sich entnehmen ließ, dass die beiden ihre kreativen Berufe für das hier aufgegeben hatten, was immer schon ihr Traum gewesen war.
    Als die Glocke über der Tür ertönte, trat die Rothaarige hinter die Ladentheke, und ich sagte, was ich haben wollte, eines der großen Sauerteigbrote, sechs Vollkornbrötchen, zwei Zimtschnecken und zeigte gleichzeitig auf alles, denn selbst auf die einfachsten norwegischen Worte reagierte

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