Lieben: Roman (German Edition)
hatten.
»Die Wohnung« war mein Büro, eigentlich ein Einzimmerapartment mit Bad und einer kleinen Kochnische, die ich von Fredrik mietete.
»Aha?«, sagte er.
»Ich bin von Dagsrevyen interviewt worden, der norwegischen Variante der Nachrichten. Erst wollten sie es hier machen, aber das habe ich natürlich abgelehnt. Dann war ihnen zu Ohren gekommen, dass ich momentan mit dem Kind zu Hause bin, und daraufhin erkundigten sie sich, ob sie mich zusammen mit Vanja filmen könnten. Ich sagte natürlich wieder Nein, aber sie ließen nicht locker. Sie bräuchten Vanja nicht zu filmen, der Kinderwagen würde reichen. Ich könnte den Kinderwagen doch durch die Stadt schieben und dann beispielsweise an Linda übergeben, bevor das Interview begann? Was sollte ich sagen?«
»Nein, zum Beispiel?«, meinte Fredrik.
»Aber irgendwie musste ich ihnen doch entgegenkommen. Sie wollten das Interview auf gar keinen Fall in einem Café oder so führen. Es müsse doch von etwas handeln . Deshalb wurde das Interview in deinem Büro aufgenommen, und ansonsten bin ich auf der Suche nach einem Engel, den ich für Vanja kaufen wollte, durch die Altstadt gelaufen. Oh, das Ganze war so dumm, es war zum Heulen. Aber so läuft das. Irgendetwas muss man ihnen geben.«
»Aber es ist doch gut geworden«, sagte Linda.
»Nein, ist es nicht«, erwiderte ich. »Aber ich weiß auch nicht, wie es unter diesen Umständen hätte besser werden können.«
»Dann bist du jetzt also in Norwegen ein großer Name?«, sagte Fredrik und sah mich verschmitzt an.
»Nein, nein, nein«, sagte ich. »Das war nur, weil ich für diesen Preis nominiert worden bin.«
»Aha«, sagte er. Dann lachte er. »Ich wollte dich nur ein bisschen aufziehen. Aber ehrlich gesagt habe ich gerade einen Auszug aus deinem Roman in einer schwedischen Literaturzeitschrift gelesen. Der Text war ungeheuer suggestiv.«
Ich lächelte ihn an.
Um von der Tatsache abzulenken, dass ich ein Thema angeschnitten hatte, das mir ein wenig schmeichelte, stand ich auf und sagte:
»Da fällt mir ein, wir haben für heute Abend eine kleine Flasche Cognac gekauft. Möchtest du einen Schluck?«, und war schon auf dem Weg in die Küche, bevor er antworten konnte. Als ich zurückkehrte, hatte sich das Gespräch dem Thema Alkohol und Stillen zugewandt, da ein Arzt Linda versichert hatte, die Kombination sei völlig ungefährlich, jedenfalls in moderaten Mengen, was sie aber trotzdem nicht riskieren wollte, da das schwedische Gesundheitsministerium völlige Enthaltsamkeit empfahl. Alkohol und Schwangerschaft war eine Sache, da der Fötus dabei ja direkt mit dem Blutkreislauf der Mutter verbunden war, aber Stillen war etwas anderes. Von da aus kamen wir schnell auf Schwangerschaften im Allgemeinen und anschließend auf Geburten. Ich stimmte gelegentlich zu, ergänzte ab und zu etwas, schwieg ansonsten jedoch und hörte zu. Geburten sind intime und sensible Gesprächsthemen für Frauen, unterschwellig kann es dabei um viel Prestige gehen, und als Mann hält man sich am besten heraus. Was Fredrik und ich auch taten. Bis das Thema Kaiserschnitt auftauchte, bei dem ich mich einfach nicht mehr zurückhalten konnte.
»Es ist absurd, dass es den Kaiserschnitt heute als alternative Geburtsart gibt«, erklärte ich. »Wenn es medizinische Gründe dafür gibt, habe ich kein Problem damit, aber wenn keine medizinischen Gründe vorliegen, wenn die Mutter gesund und munter ist, warum soll man dann ihren Bauch aufschneiden und das Kind auf diesem Weg holen? Ich habe mal einen im Fernsehen gesehen, und verdammt, es war brutal: Im einen Augenblick lag das Kind noch im Bauch, im nächsten war es im Licht. Das muss doch ein Wahnsinnsschock für das Kind sein. Und für die Mutter. Die Geburt ist doch ein Übergang,
und dass sie langsam geschieht, ist doch eine Art Vorbereitung, für die Mutter genauso wie für das Kind. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Art der Geburt einen Sinn hat. Und dann verzichtet man auf den ganzen Prozess und alles, was im Laufe dieser Zeit im Kind in Gang gesetzt wird und sich völlig jenseits unserer Kontrolle abspielt, weil es einfacher ist, den Bauch aufzuschneiden und das Kind herauszuheben. Also wenn ihr mich fragt, ist das krank.«
Es wurde still. Es herrschte eine betretene Stimmung. Linda wirkte verlegen. Ich begriff, dass ich unwissentlich in einen Fettnapf getreten war. Die Situation musste gerettet werden, aber da ich nicht wusste, was ich falsch gemacht hatte, konnte ich
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