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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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das nicht leisten. Dies blieb stattdessen Fredrik überlassen.
    »Ein echter reaktionärer Norweger!«, sagte er und lächelte. »Und zu allem Überfluss auch noch ein Schriftsteller. Hallo, Hamsun!«
    Ich sah ihn fragend an. Er zwinkerte mir zu und lächelte erneut. Den restlichen Abend nannte er mich Hamsun. Hallo, Hamsun, hast du noch einen Schluck Kaffee für mich?, sagte er beispielsweise. Oder: Was meinst du, Hamsun, sollen wir in die Natur ziehen oder in der Stadt bleiben?
    Letzeres war ein Problem, über das wir uns häufig unterhielten, da nicht nur Linda und ich überlegten, Stockholm zu verlassen und auf eine der Inseln entlang der süd- oder südostnorwegischen Küste zu ziehen, sondern auch Fredrik und Karin mit diesem Gedanken spielten, vor allem Fredrik, der sich der romantischen Vorstellung von einem Leben auf einem kleinen Hof irgendwo im Wald hingab und uns manchmal sogar Bilder von solchen Orten zeigte, die im Internet zum Verkauf angeboten wurden. Aber die Hamsun-Wendung am Ende rückte unsere Motivation plötzlich in ein ganz anderes Licht. Und das alles nur, weil ich gesagt hatte, dass ein Kaiserschnitt
vielleicht nicht die beste Methode war, ein Kind zu bekommen.
    Wie war das möglich?
    Als sie unter Dankesbezeugungen für einen netten Abend und mit zahlreichen Ermahnungen, diesen zu wiederholen, gegangen waren und nachdem ich im Wohnzimmer aufgeräumt, den Tisch abgedeckt und die Spülmaschine angestellt hatte, blieb ich noch eine Weile auf, während Linda und Vanja schliefen. Ich war es nicht mehr gewöhnt, so viel zu trinken, so dass ich den Cognac spürte, eine trauliche Flamme, die gleich hinter den Gedanken brannte und ein achtloses Licht auf sie warf. Betrunken war ich jedoch nicht. Nachdem ich etwa eine halbe Stunde reglos auf der Couch gesessen hatte, ohne an etwas Spezielles zu denken, ging ich in die Küche, trank ein Glas Wasser, nahm einen Apfel und setzte mich ans Notebook. Als es sich hochgefahren hatte, ging ich auf Google Earth. Drehte sachte den Erdball, fand die Südspitze Südamerikas und glitt langsam aufwärts, zunächst aus großer Entfernung, bis ich einen Fjord sah, der ins Land einschnitt, und näher zoomte. Ein Fluss strömte ein Tal herab, am einen Ufer ragten die Berge steil und zerklüftet in die Höhe, am anderen Ufer verzweigte sich der Fluss in etwas, das eine Sumpflandschaft zu sein schien. Weiter draußen, am Rande des Fjords, lag eine Stadt, Rio Gallegos. Die Straßen, die sie in Häuserblocks unterteilten, verliefen schnurgerade. An der Größe der Autos in den Straßen ließ sich ablesen, dass die Gebäude nicht besonders hoch waren. Die meisten von ihnen hatten Flachdächer. Breite Straßen, flache Häuser, flache Dächer: Provinz. Die Bebauung wurde immer dünner, je näher man dem Meer kam. Die Ufer ganz draußen wirkten mit Ausnahme einer Hafenanlage verlassen. Ich zoomte wieder etwas zurück und sah den grünlichen Ton der Untiefen, die sich an manchen Stellen vom Land ausstreckten, das dunkle Blau, wo
die Tiefe begann. Die Wolken, die über der Meeresoberfläche hingen. Dann folgte ich der Küstenlinie weiter aufwärts in dieser öden Landschaft, die Patagonien sein musste, und hielt bei einer neuen Stadt inne, Puerto Deseado. Sie war klein und hatte etwas wüstenhaft Dürres. Mitten in der Stadt lag ein fast unbebauter Berg, außerdem gab es zwei Gewässer, die tot wirkten. Am Meer befanden sich eine Raffinerie und Kais mit großen Tankern. Die Landschaft rund um die Stadt bestand aus unbebauten, hohen, vegetationslosen Bergen, vereinzelten schmalen Straßen, die sich landeinwärts schlängelten, vereinzelten Gewässern, vereinzelten Tälern mit Flüssen und Bäumen und Häusern. Ich ging wieder etwas hoch und zoomte Buenos Aires heran, das mit Montevideo am gegenüber liegenden Ufer an einer Meeresbucht lag, wählte einen Ort ganz draußen an der Küste aus und gelangte an den Flughafen. Die Maschinen standen wie ein Schwarm weißer Vögel am Terminal, nur einen Katzensprung vom Wasser entfernt, an dem eine von Bäumen gesäumte Straße entlangführte. Ich folgte ihr und gelangte zu etwas, das wie drei riesige Schwimmbecken mitten in einem Park aussah. Was konnte das sein? Ich zoomte näher heran. Aha! Ein Spaßbad! Dahinter, das wusste ich, auf der anderen Seite der Straße, in diesem ziemlich großen, offenen Gelände, durch das sie führte, lag das Estadion River Plate. Es war auffallend breit, es führte nicht nur eine Aschenbahn um den Platz

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