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Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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antwortete ich. »Jetzt haben wir den Salat.«
    »Willst du damit etwa sagen, dass es meine Schuld ist? Die ist doch völlig neben der Spur. Dafür kann ich doch nichts.«
    »Beruhige dich«, sagte ich. »Wir zwei müssen uns jetzt nicht auch noch streiten.«
    In der Wohnung unter uns wurde die Musik genauso laut eingeschaltet wie in der Nacht zuvor. Linda sah mich an.
    »Sollen wir rausgehen?«, sagte sie.
    »Eigentlich gefällt mir der Gedanke nicht, dass wir uns von ihr vertreiben lassen«, erwiderte ich.
    »Hier können wir aber nicht bleiben.«
    »Nein.«
    Während wir uns anzogen, verstummte die Musik. Vielleicht war sie sogar ihr selbst zu laut gewesen. Wir gingen trotzdem hinaus und zu den Anlegestellen am Nybroplan hinunter, wo die Lichter im schwarzen Wasser glitzerten und sich große Schichten Schneematsch vor dem Bug der Fähre nach Djurgården sammelten, als sich diese langsam näherte. Das Königliche Dramatische Theater stand auf der anderen Straßenseite wie eine Burg. Es gehörte zu den Gebäuden, die mir in dieser Stadt am liebsten waren. Nicht weil es schön war, denn das war es nicht, sondern weil von ihm und seiner
Umgebung eine ganz besondere Stimmung ausging. Vielleicht lag es einfach daran, dass die Steine der Fassade solch eine helle Farbe hatten, fast weiß, und die Flächen so groß waren, dass der ganze Bau noch an den dunkelsten Regentagen leuchtete. Angesichts des steten Winds, der von der See her wehte, und den schlagenden Fahnen vor dem Eingang, hatte der Raum, in dem es stand, etwas Offenes, und das Erdrückende, das monumentale Bauten sonst so oft an sich haben, existierte hier nicht. Erhob sich der Bau dort nicht wie ein kleines Gebirge an der See?
    Hand in Hand gingen wir am Ufer entlang. Die Wasserfläche bis Skeppsholmen lag vollständig im Dunkeln. Da dort draußen nur in wenigen Gebäuden Licht brannte, schuf dies einen eigentümlichen Rhythmus in der Stadt, so dass es einem vorkam, als endete sie und ginge in Randgebiete und Natur über, um jenseits des Wassers erneut Fahrt aufzunehmen, wo Gamla stan, Slussen und das steil aufragende Felsufer Södermalms lagen und glitzerten und blinkten und rauschten.
    Linda erzählte mir ein paar Anekdoten aus dem Theater, in dem sie praktisch aufgewachsen war. Als ihre Mutter dort als Schauspielerin gearbeitet hatte, war sie alleinerziehende Mutter von Linda und ihrem Bruder gewesen, so dass Linda sie oft zu Proben und Vorstellungen begleiten musste. Für mich war das alles mythologisch, für Linda trivial, etwas, worüber sie nur ungern sprach, was sie auch jetzt sicher nicht getan hätte, wenn ich sie nicht ausgefragt hätte. Sie wusste alles über Schauspieler, ihre Eitelkeit und Selbstausbeutung, ihre Angst und ihre Intrigen, lachte und sagte, die besten seien oft die dümmsten, die am wenigsten verstanden, ein intellektueller Schauspieler sei ein Widerspruch in sich, aber obwohl sie die Schauspielerei verachtete, ihre Gebärden und Manierismen verachtete, ihr billiges und hohles, leicht beeinflussbares Leben und ihre Gefühle, gab es nur wenig, was ihr mehr
bedeutete als die Leistungen der Schauspieler auf der Bühne, wenn sie in Hochform waren. So sprach sie mit großer Begeisterung über Bergmans Inszenierung von Peer Gynt , die sie unzählige Male gesehen hatte, weil sie damals an der Garderobe des Theaters gejobbt hatte, über das Fantastische und Märchenhafte an ihr, aber auch das Barocke und Burleske, oder Wilsons Inszenierung von Strindbergs Ein Traumspiel am Stockholmer Stadttheater, wo sie in der Dramaturgie gearbeitet hatte, die natürlich reiner und stilisierter, aber ebenso magisch gewesen war. Sie hatte früher selbst Schauspielerin werden wollen und schaffte es zwei Jahre hintereinander in die letzte Runde der Aufnahmeprüfung zur staatlichen Schauspielschule, aber als sie beim zweiten Mal nicht angenommen wurde, war das auch in Ordnung gewesen, man würde sie niemals aufnehmen, stattdessen schlug sie eine andere Richtung ein, bewarb sich bei der Schreibwerkstatt an der Volkshochschule Biskops-Arnö und debütierte ein Jahr später mit den Gedichten, die sie dort geschrieben hatte.
    Jetzt erzählte sie mir von einer Tournee, auf der sie dabei gewesen war. Das Königliche Dramatische Theater, Bergmans Ensemble, unterwegs in der Welt, überall, wo sie hinkamen, waren sie Stars, und diesmal hatte sie die Reise nach Tokio geführt. Großkotzig und betrunken fielen die schwedischen Schauspieler in eines der vornehmeren

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