Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieben: Roman (German Edition)

Lieben: Roman (German Edition)

Titel: Lieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
es ging um sie.
    Außerdem war ich gerade auf einer dreitägigen Minitournee gewesen und sollte am nächsten Wochenende erneut für einen Vortrag nach Oslo reisen, so dass die Zügel noch mehr angezogen waren als sonst.
    Ich legte die Waren auf die Metallscheibe, die sich langsam zur Seite der Kassiererin drehte. Sie nahm die Artikel nacheinander und drehte sie, bis der Strichcode über dem Laser hing, legte sie auf das kurze, schwarze Band, wenn es gepiepst hatte, und tat dies mit schlafwandlerischen Bewegungen, als säße sie in einem Traum. Das Licht über uns war grell und ließ keine Pore in ihrer Haut im Verborgenen. Ihre Mundwinkel hingen herab, nicht weil sie alt war, sondern weil ihre Wangen so groß und fleischig waren. Der ganze Kopf war aufgequollen von Fleisch. Dass sie viel Zeit auf ihre Frisur verwendet hatte, verbesserte den Gesamteindruck im Grunde nicht, es kam einem vor, als frisierte man den grünen Busch einer Möhre.
    »Fünfhundertzwanzig Kronen«, sagte sie und blickte auf ihre Fingernägel, die sie für einen kurzen Moment in einem Kranz vor sich hielt. Ich zog die Karte durch das Lesegerät und tippte die Geheimzahl ein. Während ich das Display anstarrte und darauf wartete, dass der Vorgang abgeschlossen wurde, fiel mir ein, dass ich die Plastiktüte vergessen hatte. Wenn so etwas vorkam, war es mir immer wichtig, sie zu bezahlen, damit sie nicht glaubten, ich hätte sie absichtlich und in der Hoffnung vergessen, dass sie sagten, ich könne mir einfach eine nehmen, wie sie es häufig taten. Jetzt hatte ich jedoch kein Bargeld mehr dabei, und es war natürlich idiotisch, für einen so kleinen Betrag mit Karte zu zahlen. Sollte es mir andererseits etwas bedeuten, was sie von mir dachte? Sie war doch so fett.
    »Ich habe vergessen, mir eine Tüte zu nehmen«, sagte ich.
    »Das macht zwei Kronen«, sagte sie.
    Ich nahm eine Tüte aus dem Karton an der Unterseite der Kassenfrontseite und zog erneut die Karte heraus.
    »Haben Sie es nicht bar?«, sagte sie.
    »Nein, leider nicht«, antwortete ich.
    Sie wedelte mit der Hand.
    »Aber ich möchte bezahlen«, sagte ich. »Darum geht es nicht.«
    Sie lächelte müde.
    »Nehmen Sie sich Ihre Tüte«, sagte sie.
    »Vielen Dank«, erwiderte ich, räumte die Waren hinein und ging zur Treppe, die auf dieser Seite in eine Halle mit Vitrinen eines Auktionshauses an den Wänden hinaufführte. Als ich durch die Tür trat, lag NK auf der anderen Straßenseite und glitzerte in der Dunkelheit. Es existierte ein Netzwerk von Gängen unter dem inneren Kern des Stadtzentrums, so konnte man von der Passage aus ins Untergeschoss von NK hinabsteigen und anschließend in eine unterirdische Einkaufsstraße hinaus, die auf der linken Seite mit einem anderen Einkaufszentrum, Gallerian, verbunden war und weiter oben auf der gleichen Seite mit dem Kulturhaus und geradeaus auf den Sergels torg führte, von wo aus Tunnel bis in den Hauptbahnhof führten. An Regentagen ging ich immer dort, aber auch sonst häufig, denn ich fand alles Unterirdische anziehend, es hatte etwas Abenteuerliches, das mit Sicherheit aus der Kindheit stammte, in der eine Höhle das Fantastischste war, was man entdecken konnte. Ich erinnerte mich, dass in einem Winter mehr als zwei Meter Schnee gefallen waren, es könnte 1976 oder 1977 gewesen sein, und an einem Wochenende gruben wir kleine Löcher, die wir mit Tunneln verbanden, die sich durch den gesamten Garten bis zum Nachbarn erstreckten. Als es Abend wurde, waren wir wie besessen und vollkommen verzaubert von dem Ergebnis, und manchmal saßen wir lange unter dem Schnee und unterhielten uns.
    Nun ging ich an der amerikanischen Bar vorbei, die voller Menschen war, denn es war Freitag, und sie kamen nach der Arbeit hierher, um ein Bier zu trinken, oder bevor sie richtig ausgingen, sie hatten ihre dicken Jacken über die Stuhlrücken gehängt und lächelten und tranken mit rot leuchtenden Gesichtern, die meisten von ihnen waren um die vierzig, während junge, schlanke Männer und Frauen mit schwarzen Schürzen umhergingen und die Bestellungen aufnahmen, Tabletts mit Biergläsern auf die Tische stellten, die leeren Gläser mitnahmen. Die Geräusche all dieser fröhlichen Menschen, dieses warme, gutmütige Summen, durchsetzt nur von dem einen oder anderen lautstarken Lachen, schlug mir entgegen, als sich die Tür öffnete und eine Gruppe von fünf Personen im Freien stehen blieb, alle beschäftigt, etwa damit, in der Tasche nach Zigaretten oder

Weitere Kostenlose Bücher