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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Curham
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Ton-Zerstörer so wie gestern noch nie erlebt   – na ja, höchstens damals, als er meine Dylan-DVD zerbrochen hat. Und dann konnte er mal den Deckel vom Ketchup nicht aufbekommen, da hat er die ganze Flasche ins Waschbecken geschmissen, aber ich denke mal, so was passiert halt, wenn man »ungelöste Probleme mit Jähzorn« hat, oder? Er hat noch nie einer vonuns was getan. Das würde er nicht wagen, denn wie ich dir erzählt habe, ist er ein typischer Tyrann und im Herzen ein großer fetter Feigling. Und sowieso würde meine Mum auf keinen Fall bei ihm bleiben, wenn er jemals mir oder Michaela wehtun würde. Sie würde mit uns irgendwo anders hingehen   – ich weiß, das würde sie tun.
    Aber ich will nicht die Zeit damit verschwenden, über den Ton-Zerstörer zu labern, wenn ich dir stattdessen von all den merkwürdigen Dingen erzählen kann, die heute passiert sind. Es ist wirklich ziemlich unheimlich, denn obwohl ich deine Mail noch gar nicht gelesen hatte, bevor ich heute Abend hierherkam, war es, als hätten deine Gedanken mich irgendwie trotzdem erreicht. Wie durch irgendeine Art von drahtloser seelischer Verbindung. Glaubst du, es ist möglich, dass bestimmte Gedanken über jemanden, wenn du sie nur fest genug denkst, bei ihm ankommen können? Nicht durch Gedankenlesen oder so was Gruseliges, aber indem man irgendwie fühlt, dass da draußen jemand ist, der sich wünscht, dass man stark oder glücklich oder wie auch immer ist? Ich jedenfalls fühle mich heute viel stärker, so viel steht fest. Gleich als mein Wecker heute Morgen klingelte, setzte ich mich im Bett auf und dachte: Ich werde heute NICHT wieder einen Tag wie gestern haben, ganz egal was passiert. Also stand ich auf und ging unter die Dusche   – was für ein Luxus! Und ich muss sagen, dass meine Haare sich weicher anfühlten als je zuvor. Na ja, ich hatte ihnen ja auch die längste Öl-Behandlung der Welt verpasst, LOL! (Und diesmal lache ich wirklich laut   – denn in einem Internet-Café darf man so laut lachen, wie man will, und niemand runzelt die Stirn oder schielt einen an.) Wie auch immer, nachdem Mum zur Arbeit gegangen war und bevor der Ton-Zerstörer zurückkam, bin ich in ihr Zimmer gegangen und habe was von ihrem Volumen-Mascara und ihrem Lippenstift in »cool pink« aufgetragen. Mum erlaubt mir nicht, mich zu schminken, außer zu total besonderen Gelegenheiten, aber nach meiner Demütigung von gestern war ich entschlossen, heute so gut wie möglich auszusehen. Ich hatte beschlossen, ich würde heute eine glamouröse Schauspielerin sein   – genau wie du.
    Nachdem ich mir die Haare abgetrocknet hatte, versuchte ich, sie mir zu einem hohen Pferdeschwanz zu binden, aber Michaela lachte und sagte, ich würde aussehen wie eine Ananas. Also ließ ich sie wieder fallen und kämmte sie nur lose zurück, wobei ich vorn ein paar Strähnen hängen ließ. In der Ausgabe von Sugar stand letzten Monat, das sei der Look der »Pariserin, die gerade aus dem Bett gekommen ist«. Ist das nicht komisch, wie viel Arbeit es kostet, auszusehen, als wäre man gerade aus dem Bett gekommen? Man muss eine Stunde früher aufstehen, um das zustande zu bringen. Aber wie auch immer, letzten Endes ist es wirklich gut gelungen. Sogar Michaela hat gesagt, ich sähe »fast wie eine Prinzessin« aus.
    Mein Plan war, aus dem Haus zu gehen, bevor der Ton-Zerstörer nach Hause kam, aber heute war er besonders früh, und Michaela war noch dabei, ihre Coco-Pops zu essen. Er guckte mich irgendwie merkwürdig an, während er in die Küche ging, und sagte: »Sieh an, sieh an, was ist denn das hier?« Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete, also ignorierte ich es und sagte (ganz beiläufig): »Ich dachte, ich gehe heute mal mit Michaela zum Lido, weil die Sonne so schön scheint.« (Der Lido ist so eine Art Strand bei uns in der Nähe, der gar kein richtiger Strand ist. Es gibt da Sand und Wasser und das alles, aber das richtige Meer ist es nicht. Es ist von Menschen angelegt worden. Und Tim Clark aus meiner Klasse ist da mal schwimmen gegangen und hat fast einen Scheißhaufen verschluckt, also würde ich da nicht mal einen Zeh ins Wasser stecken.)
    Wie üblich schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis der Ton-Zerstörer antwortete. Und je länger ich wartete, desto heißer brannten meine Wangen, also tat ich so, als würde ich im Schrank nach etwas suchen, damit er mich nicht sehen konnte. Michaela fing an, mit ihrem Löffel auf den Tisch zu hämmern und zu rufen:

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