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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Curham
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»Lügen haben kurze Beine!« Ich dachte, ich breche meinen Marmeladentoast wieder aus, solche Angst hatte ich. »Wer lügt denn, Prinzessin?«, fragte der Ton-Zerstörer. Eins. Zwei. Drei. Vier. Ich zählte die Sekunden des Schweigens. Wäre dies ein Film gewesen, so hätte irgendwo ineiner Ecke eine dieser großen, alten Großvateruhren vor sich hin getickt, während ihr schweres Pendel dem Moment meines Untergangs entgegenschwang. Aber Michaela sagte nichts mehr, sie fing einfach an zu lachen wie Tigger, wieder und wieder: »Hihihihi!«
    »Na schön«, sagte der Ton-Zerstörer, und zuerst bekam ich gar nicht mit, dass er mit mir sprach. »Aber ich will, dass ihr um vier zurück seid, denn ihr bleibt heute Nacht bei eurer Oma.«
    Was?!!!! »Aber wie lange sollen wir da denn bleiben?«, fragte ich und gab mir wirklich Mühe, nicht loszuschreien. »Bis morgen zum Abendbrot«, antwortete er. Dann nahm er seine Zeitung und verließ den Raum, wobei er murmelte: »Ich lege mich dann mal ins Bett.«
    Bett? Wie konnte er sich ins Bett legen, wenn mein ganzes Leben über mir zusammenbrach?!! Wir würden vor morgen Abend nicht zurück sein! Die Mutter vom Ton-Zerstörer wohnt im Osten Londons, am anderen Ende der U-Bahn-Linie. Sie hätte genauso gut am anderen Ende der Welt wohnen können. Es gab keine Möglichkeit für mich, morgen zu den Proben zu gehen. Und nachdem ich gestern meine Leseprobe versaut hatte, würde Debbie meine Rolle ganz sicher jemand anderen geben.
    Auf dem ganzen Weg zum Gemeindezentrum hatte ich das abscheuliche Gefühl, in die Tiefe zu stürzen. Trotz meiner neuen »Pariserin, die gerade aus dem Bett gekommen ist«-Frisur, meinen volumisierten Wimpern und meinen schimmernden Lippen fühlte ich mich innerlich, als würde ich zu der gestrigen Katastrophen-Gestalt mit der Bärchen-Kappe zusammenschrumpfen. Was sollte ich nur tun? Wie sollte ich es Debbie beibringen? Ich beschloss, es ihr sofort zu sagen, wenn ich ankam, damit ich es hinter mir hatte. Aber bevor ich auch nur die Chance hatte, mit ihr zu sprechen, hielt sie uns allen einen Vortrag darüber, wie hart wir würden arbeiten müssen, um das Stück in weniger als drei Wochen auf die Bühne zu bringen. Also konnte ich es ihr einfach nicht sagen, sie sah zu gestresst aus.Und danach war ich so beschäftigt, dass ich gar keine Zeit hatte, an morgen zu denken. Debbie teilte uns in Gruppen ein, damit wir verschiedene Szenen zusammen proben konnten   – was bedeutete, dass ich mit Jamie in einer Gruppe war und die arme alte Jessica den schrecklichen Dred am Hals hatte. Du hättest sehen sollen, was er heute anhatte, seine Hosen hingen so tief, dass man sehen konnte, wie sein gesamter Hintern über den Hosenbund schwabbelte. Und er hatte diese dämliche Kappe auf dem Kopf (natürlich verkehrt herum), auf der in kleinen, glänzenden Strasssteinchen »No. 1 Gangster« stand. »No. 1 Schlangster« hätte da stehen sollen.
    Jedenfalls sollte die Gruppe, in der ich war, auf der Bühne proben, weil wir die allererste Szene hatten. Wir durften von unseren Skripts ablesen (Debbie will, dass wir bis Montag unseren Text gelernt haben   – schluck!), aber diesmal sollten wir gleichzeitig anfangen, unsere Rollen richtig zu spielen. Jamie und ich standen vor der Bühne, während Debbie die Hoods anwies, ihren Sahneangriff auf einen Jungen namens Peter, der den Roxy Robinson spielt, zu verüben. Warum hat sie die Rolle eigentlich nicht Dred gegeben? Dann wäre er in den ersten zwei Minuten umgebracht worden! Wie auch immer, während wir da im Dunkeln neben der Bühne standen, drehte sich Jamie plötzlich zu mir um und flüsterte: »Deine Haare gefallen mir.« Ich war so schockiert, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Als es mir endlich gelang, »Was?« zu fragen, las Jamie bereits seine erste Zeile aus der Szene. Aber er muss mich trotzdem gehört haben, denn gleich, als er fertig war, wandte er sich mir wieder zu und sagte: »Deine Haare. Sie gefallen mir.« Dieses eine Mal machte es nichts, dass meine Wangen knallrot wurden, denn es war so dunkel, dass er es nicht sehen konnte. Kein Wunder, dass Paris die Stadt der Romantik ist, wenn das die Reaktion ist, die die Frauen da bekommen, sobald sie morgens aus dem Bett steigen. Damit will ich nicht sagen, dass Jamie sich irgendwie romantisch benahm oder so, denn das tat er nicht. Er war einfach nur nett. Und dann, kurz bevor ich auf die Bühne ging, sah er mich durch seinen langen Pony an und schenkte mir wieder

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