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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Curham
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ich. Dann fingen Jamie und Pete an, auf ihren Gitarren zu spielen, und Jamie schickte mir sein liebes Lächeln   – das noch schöner aussah, jetzt, wo die Schatten der Flammen über sein Gesicht zuckten. Und er sagte: »Wie wär’s mit einem Song, Blousey?« Zuerst hoffte ich, er wollte, dass ich mir einen Song von ihm wünschte, aber dann sagte Honigmonster: »Ja, lass uns doch diese Mörderstimme mal hören.« Mein Herz fing an zu hämmern, aber Jamie spielte ein paar Akkorde, und ich erkannte sie sofort. Er spielte das Vorspiel von Wonderful Tonight   – das Lied meines Dads für meine Mum! Also starrte ich einfach in die Flammen, bis es mir vorkam, als wäre alles andere zu Gold zerschmolzen, und ich nichts mehr hören konnte als Jamies Gitarre. Und mir wurde klar, dass die Gitarre meines Dads vor all diesen Jahren ganz genau so für meine Mum geklungen haben musste. Und dann begann ich zu singen. Erst leise, dann immer lauter und stärker. Und es war, als wäre ich in diesem Hotel in Manchester und würde meiner Mum und meinem Dad zusehen, während seine Finger sanft an den Saiten zupften und er ihr diesen schönen Text vorsang. Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel und lief mir das Gesicht hinunter, aber es fühlte sich gut an. Als ob sie meinen Schmerz abwaschen würde oder so ähnlich. Als ich zu Ende gesungen hatte, starrte ich einfach weiter ins Feuer. Dann stieß Honigmonster einen Laut aus, und sie alle fingen an, richtig laut zu klatschen. Jamie schob seine Gitarre beiseite und legte seine Hand auf meine. Ich blickte zu ihm auf, aber diesmal lächelte er nicht, er sah mich nur an. Und dann passierte es. Die schlimmste Nacht meines Lebens begann.
    »Hallo, George.«
    Wir drehten uns alle um, und im Eingang der Lichtung standen Jessica, Kate Nummer eins und Dred. Ich wusste nicht, worüber ich am meisten schockiert war. Darüber, dass Jessica und Kate da waren, oder darüber, dass sie mit Dred zusammen waren. Mein erster Gedanke war: Jessica geht doch nie in den Wald. Sie hat immer gesagt, da würde es von Perversen in dreckigen Regenmänteln wimmeln, die Spaß daran haben, Schulmädchen ihren Du-weißt-schon-was zu zeigen.
    »Was machst du denn da?«, fragte Jessica und sah mich an.
    Ich spürte, wie Jamies Hand so glatt und schnell wie ein seidener Handschuh von meiner herunterglitt. »Ich, ähhh, ich mache eine Jamming Session«, antwortete ich endlich. Als Jamie zuvor davon gesprochen hatte, hatte es sich cool und erwachsen angehört, aber als ich es sagte, klang ich einfach wie ein dummes Kind. »Ach so«, sagte Jessica und kam zu mir. »Ist hier noch Platz?«, fragte sie in einer ekelerregend süßlichen Stimme und sah geradewegs auf Jamiehinunter. Sie trug ihre engsten Jeans und ein kleines Träger-Top, das ihren flachen Bauch betonte, und ihre blonden Haare fielen glänzend wie ein Sonnenstrahl ihren Rücken hinunter. »Ja, klar«, antwortete Jamie schroff. Und bevor ich reagieren konnte, saß Jessica genau zwischen mir und Jamie. Dann kamen Kate eins und Dred auch noch herüber und sagten, ich solle rutschen, sodass am Ende alle drei zwischen uns saßen. »Woher weißt du denn, dass wir hier sind?«, fragte Jamie. »George hat es mir erzählt«, antwortete Jessica. »Was? Wann denn?«, fragte ich und beugte mich vor, um sie anzusehen. »Vorhin am Telefon«, fuhr Jessica fort, und ihre Stimme klang noch immer so ekelerregend wie Zuckerwatte, »als du angerufen hast, um uns einzuladen.« Einen Moment lang saß ich regungslos da. Wovon redete sie? Ich hatte sie nicht eingeladen. Ich hatte gesagt, ich würde mit meiner Familie essen gehen. Es dauerte eine Minute, bis mir die Wahrheit klar wurde   – sie mussten mir gefolgt sein. Ich fühlte mich vor Schreck wie betäubt. Aber ich wusste auch, dass es keinen Sinn hatte zu leugnen, was sie gesagt hatte. Jessica ist eine solche Expertin im Lügen, sie könnte einen Universitätsabschluss darin machen. Ich war dabei, als sie ihre Mutter davon überzeugte, sie würde zum Lernen in die Bücherei gehen, obwohl sie in Wirklichkeit hinter den Toiletten im Park mit einem Jungen herumknutschen oder im Drogeriemarkt Make-up klauen wollte. Ich weiß, wie gut sie ist. Und von diesem Moment an fühlte ich mich nicht länger so, als wäre ich am perfekten Ort zum perfekten Zeitpunkt und mit den perfekten Leuten zusammen, sondern so, als wäre ich am schlimmsten Ort der Welt. Ich wollte nur noch, dass sich der Boden öffnete und mich hinab in den

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