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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Curham
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Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg zog. Vielleicht hätte ich dann dieser Peinlichkeit entgehen können. Aber natürlich passierte das nicht, stattdessen musste ich still dabeisitzen, während Jessica herumkreischte und mit Jamie zu flirten begann, und ich musste zusehen, wie Kate eins und Dred anfingen zu knutschen. Und ich schämte mich so. Obwohl sie nichts sagten, sah ich, wie sich Jamies Freunde über die Flammen hinweg Blicke wie geheime Textbotschaften schickten:
    WAS ZUM TEUFEL SIND DENN DAS FÜR LEUTE?
    WARUM MUSSTE DIE DÄMLICHE KUH DIE DENN EINLADEN?
    Und ich wollte sterben, denn nichts von alledem war meine Schuld, aber die Wahrheit würden sie nie erfahren. Honigmonster war allerdings so nett, mir zuzurufen: »He, Blousey, du hast eine höllisch tolle Stimme.« Aber das machte die Sache noch eine Million Mal schlimmer, denn Jessica sprang sofort darauf an. »Ach, ich könnte auch was für euch singen, wenn ihr Lust habt?« Und noch ehe irgendwer die Chance hatte zu antworten, fing sie an, Flying without Wings zu singen. Aber statt cool zu wirken, wie sie es in der Schule immer tut, sah sie einfach nur dämlich und kindisch aus, und die ganzen geheimen Textbotschaften schossen wieder über die Flammen hinweg:
    WAS DENKT DIE DENN, WER SIE IST?
    HIER IST DOCH KEIN VORSINGEN FÜR X-FACTOR!
    Tezs Freundin begann sogar zu kichern, als Jessica einen total hohen Ton sang und ihn ungefähr eine Stunde lang hielt. Als sie fertig war, klatschte niemand, keiner sprach ein Wort, und die Stille war geradezu schmerzhaft. Jessica aber fand schnell eine Möglichkeit, sie zu füllen. »Du, George, wir sind vorhin bei dir zu Hause vorbeigekommen.« Mir rutschte das Herz nicht nur in die Hose, es stürzte geradewegs bis hinunter in den unterirdischen Bunker. Leider nahm es den Rest meines Körpers nicht mit. »Du bist bei mir zu Hause gewesen? Wann denn? Heute Abend?«, fragte ich, und meine Stimme quiekte so leise wie eine Maus. Jessica nickte. Jamie beugte sich vor und sah mich an. »Ja«, fuhr Jessica fort. »Deine Mutter war ja vielleicht in einem Zustand.« Neben mir stieß Dred ein knurrendes Gelächter aus.
    Bevor ich weitermache, muss ich dir etwas über meine Mum erzählen, Nan. Ich glaube, ich habe schon mal erwähnt, dass meine Mummanchmal krank wird. Nun, es ist so, dass ich nicht ganz ehrlich zu dir war. Sie wird krank, aber deshalb, weil sie dieses andere Problem hat, weißt du   – ein Problem mit Alkohol. Ich wollte es dir nicht erzählen, weil ich es niemandem erzählt habe, außer Jessica, und das war streng vertraulich, denn eines Abends konnte ich es einfach nicht mehr aushalten, und ich musste es irgendwem erzählen. Angelica ist keine Alkoholikerin oder so was. Sie braucht nicht jeden Tag einen Drink und bewahrt auch keine Flasche Wodka in einer braunen Papiertüte unter ihrem Bett auf oder so ähnlich. Aber manchmal, wenn alles zu viel für sie wird, muss sie sich betrinken   – richtig betrinken   –, und ich hasse es. Denn auch wenn sie manchmal lustig und albern und fröhlich ist wie damals, als mein Dad noch lebte, endet es meistens damit, dass sie anfängt zu weinen und sich zu übergeben, und ich muss dann alles saubermachen und mich um sie kümmern. Und der Ton-Zerstörer hasst es und schreit sie an und sagt Schimpfnamen zu ihr, und das kann ich nicht ertragen. Vor ein paar Monaten hat Jessica mich angerufen, als Mum echt betrunken war, und sie konnte spüren, dass etwas nicht in Ordnung war. Also habe ich ihr schließlich alles erzählt, wie Angelica den ganzen Küchenfußboden vollgebrochen hatte und wie ich es satthatte, so zu leben, als sei ich die Mutter und sie das Kind. Jessica war damals echt nett, sie hat gesagt, sie könne es nicht fassen, und das wäre ja furchtbar, und ich wäre total tapfer, damit fertigzuwerden.
    Aber gestern Abend hat sie von alledem nichts gesagt. Nein, gestern Abend am Lagerfeuer, vor Jamie und seinen ganzen Freunden und vor Kate eins und dem grässlichen Dred, redete sie davon, wie besoffen meine Mum gewesen war, als sie bei mir geklingelt hatte, um mich abzuholen, und wie Michaela geweint hatte. Und sie fragte mich, wie ich ausgehen und eine kleine Vierjährige mit jemandem, der so kaputt war, allein lassen könnte, sie hätte ihren Bruder ja nie und nimmer im Stich gelassen. Und dann sagte sie, ich könne ja von Glück sagen, dass noch nie einer das Jugendamt verständigt hätte, denn dann wären wir abgeholt und in Pflege gegeben worden. Es fühlte sich

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