meiner Familie essen gehen würde. Sie war nicht gerade glücklich darüber, aber wenigstens wird sie das davon abhalten, heute Abend noch mal anzurufen und alles zu verraten. Ich mache mich dann jetzt also auf den Weg. Wünsch mir Glück!
Alles Liebe,
Georgie xxx
Von:
[email protected] An:
[email protected] Betreff: Re: OH MEIN GOOOTT!!!
Datum: Samstag, 5. August, 23:57
Gut, gut, gut – ein Date also, ja? Ich wusste einfach, dass etwas in der Art passieren würde. Als es heute Abend endlich kühl genug war, um mit Woodstock spazieren zu gehen, habe ich zu ihm gesagt: »Liebe liegt in der Luft« – wenigstens in Ruislip. Ach Liebling, es ist ja so aufregend. Und zu der Frage, ob es nun ein Date ist oder nicht – für mich klingt es sehr danach, dass er dich mag –, warum sollte er dich sonst zu sich nach Hause einladen? Oder dich bitten, heute Abend mit ihm und seinen Freunden wegzugehen? Oder dein Gesicht mit seinem Daumen streicheln? Date oder nicht, das ist alles furchtbar spannend.
Es ist jetzt fünf Minuten vor Mitternacht, also nehme ich an, dass du zurück bist, dich in dein Bett gekuschelt hast und jeden Augenblick des Tages im Kopf noch einmal erlebst. Wenigstens wenn du nur im Entferntesten so bist, wie ich war. Die ersten Verabredungen sind ja so aufregend – ein Cocktail aus Angst und Freude mit einem Schuss Anziehungskraft und ein paar Spritzern Erwartung obendrein. Und sie machen einen entweder betrunken vor Liebe oder geben einemden Kater der Enttäuschung. Ich hoffe natürlich, in deinem Fall trifft das Erste zu. Was hältst du denn von dieser Metapher? Ich spiele mit dem Gedanken, meine Laufbahn als epischer Autor aus der Asche der Lyrik wieder zum Leben zu erwecken und mich in der Abendschule zu einem Drehbuch-Kurs anzumelden. Und dann muss ich noch sagen: Bitte, bitte, bitte, Georgie, kannst du aufhören, die Sechzigerjahre als »alten Zeiten« zu bezeichnen? Sonst komme ich mir ja wie ein Dinosaurier vor!
Lass mich wissen, wie es dir ergangen ist, Süße – so schnell wie möglich! Ich werde jetzt versuchen, ein bisschen Schlaf zu bekommen. In den letzten paar Nächten habe ich mir angewöhnt, in Bruces Büro auf dem Sofa zu schlafen – das Geräusch der Wellen ist so beruhigend wie ein Wiegenlied, und manchmal, wenn ich gut genug hinhöre, kann ich hören, wie Bruce mir mit dem Wind etwas zuflüstert.
Gute Nacht und alles Gute,
Nan xx
Von:
[email protected] An:
[email protected] Betreff: Die beste Zeit und die schlimmste Zeit
Datum: Sonntag, 6. August, 15:13
Oh Nan, Charles Dickens könnte mich gemeint haben, als er schrieb, es war die beste Zeit und es war die schlimmste Zeit. Warum kann das Leben eigentlich nie irgendwo in der Mitte verlaufen, nicht zu gut und nicht zu mies? Und dann so bleiben. Als ich klein war, war es nicht so. Zumindest glaube ich, dass es so nicht war. Das Problem ist, meine Erinnerungen an diese Zeit werden immer unklarer, wie Fotos, die in der Sonne verblassen. Und das hasse ich, denn es ist, als würde ich das bisschen, was mir von meinem Vater geblieben ist, von Tag zu Tag mehr verlieren. Sorry, ich gebe mir wirklich viel Mühe, nicht zu weinen, aber meine Augen fühlen sich an, als wären sie bis zum Rand mit Tränen gefüllt, und jeden Moment könnte ein Mini-Tsunami mein Gesicht hinunterströmen. Mir gefiel übrigens deine Metapher mit dem Cocktail der ersten Verabredung. Und genau so war es auch. Nur hättest du in meinem Fall gestern Abend noch einen extra großen Schuss Demütigung hinzufügen müssen. Wenn es tatsächlich ein Date gewesen wäre – was es eindeutig nicht war, wie sich herausstellte. Ich habe nicht viel Zeit, denn rate mal, wo ich bin? Ich bin wieder mal in der dämlichen Bücherei, und die hat sonntags nur bis vier Uhr geöffnet, und jetzt ist es schon nach drei. Um ehrlich zu sein, wäre ich beinahe überhaupt nicht gekommen. Ich hatte das Gefühl, du würdest alles über mein sogenanntes Date wissen wollen, und ich wollte dir wirklich nicht die scheußliche Wahrheit erzählen müssen. Aber hier kommt sie nun doch …
Als ich beim Kriegerdenkmal ankam, saß Jamie auf der untersten Stufe, sein Gitarrenkasten lag neben ihm, und er guckte sich die Namen der ganzen gefallenen Soldaten an. »Ein paar von denen waren nur ein Jahr älter als ich«, sagte er, als ich auf ihn zukam. Ich verspürte einen kleinen Stich von Traurigkeit, als ich zu der Namensliste aufblickte, die in den