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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Curham
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Gott, was habe ich dir über Besuche in diesen Chat-Räumen erzählt? Du weißt nicht, mit wem du da redest.« Ich runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nein, es ist alles in Ordnung, denn ich habe sie auch wirklich getroffen, also weiß ich, dass sie in Ordnung ist. Auch wenn sie am Anfang, als wir uns kennenlernten, vorgegeben hat, jemand anders zu sein   – aber das war okay, denn das war nur ihr Sohn, und sie sollte so tun, als wäre sie er, denn sie sollte seine Mails beantworten.« Ich konnte spüren, wie Mum sich neben mir mehr und mehr anspannte, also versuchte ich, sie zu beruhigen. »Am Anfang war ich ein bisschen sauer auf sie, weil sie mich reingelegt hatte, aber sie war so nett und gab mir so viele Ratschläge über mein Schauspielern und Jungs und das alles, sodass ich am Ende froh war, mit ihr Mails zu tauschen, nicht mit Dylan.« Ich verstummte und wartete ab, was Mum sagen würde. »Dylan?«, fragte sie in einer leisen, angespannten Stimme. »Ja«, sagte ich, »ihr Sohn ist Dylan Curtland   – der, der den Jimmy in Jessop Close gespielt hat. Weißt du noch? Der, der in dem Schlachthof gearbeitet hat und an einem elektrischen Schlag aus einem Toaster gestorben ist.« Ich lehnte mich zurück und wartete ab, überzeugt, dass dieser Teil des Berichts sie ein für alle Mal beruhigen würde. Aber es machte alles nur noch schlimmer. »Nicht zu fassen!«, schrie sie und stand auf. »Wie konntest du dich denn einer Wildfremden anvertrauen? Wie konntest du jemandem, den du überhaupt nichtkennst, unsere ganzen persönlichen Angelegenheiten erzählen?« Ein Funke der Wut erwachte in mir. »Wem hätte ich es denn sonst erzählen sollen?«, gab ich zurück und stand ebenfalls auf, und weil sie weiter unten am Ufer stand, wirkte ich größer. »Ich hatte doch niemanden, Mum. Ich habe mich einsam gefühlt.« Sie sah mich an, als wäre ich nicht ganz dicht. »Du hattest niemanden? Und was ist mit mir? Ich bin deine Mutter. Warum bist du nicht zu mir gekommen und hast mit mir geredet?« An diesem Punkt fing ich an zu lachen, obwohl ich das, was sie gesagt hatte, überhaupt nicht komisch fand. »Wie hätte ich denn mit dir reden sollen? Du bist doch   …« Ich brach gerade noch rechtzeitig ab. »Was?«, fragte sie, und ich konnte sehen, dass ihr die Lippen zitterten. Ich starrte auf den Boden. »Ich dachte, du hättest genug, mit dem du fertigwerden musstest. Ich hatte Angst, wenn ich auch noch mit meinen Problemen ankommen würde, würde es dich   – krank machen.« »Krank? Was meinst du denn mit krank?« Ich wollte es nicht sagen, aber ich wusste: jetzt oder nie. »Du weißt doch   – betrunken. Krank.« Ich sah sie an. Sie stand vor mir, kleiner als ich, dünner als ich, ihre Hände vor ihrem Körper gefaltet, wie ein Kind. Ich wollte schreien: Du bist die Mutter, weißt du, du bist die, die sich um mich kümmern sollte. Aber ich schluckte den Gedanken wieder hinunter und wartete darauf, dass sie etwas sagte. Sie sah sich um, ließ ihren Blick über das verlassene Gemeindezentrum schweifen und schaute mir dann direkt in die Augen. »Los, komm«, sagte sie, ihre Stimme war leise, aber total fest. »Wohin?« Bestimmt dachte sie doch nicht daran, zurück nach Hause zu gehen, nach dem, was dieser Psychopath ihr angetan hatte. Und was war mit dem, was er mir vielleicht antun würde, weil ich in der Aufführung gewesen war und ihm so viele Schwierigkeiten verursacht hatte? »Komm einfach«, sagte sie und nahm meine Hand. Und obwohl es draußen noch immer richtig warm war, fühlten sich ihre Finger kalt wie Eis an. »Ich kann nicht nach Hause gehen, Mum. Ich kann nicht zu ihm zurückgehen«, begann ich. Vor Panik schraubte meine Stimme sich in die Höhe. »Das tun wir auch nicht«, antwortete sie und zog sanft an meiner Hand. Mir war übel vor Angst, als ich ihr die Hauptstraße und an der großen grauen Steinkirche entlang folgte. Die Kirchturmuhr schlug elf, und irgendwo in der Ferne fing jemand an, laut zu lachen, wie ein schwachsinniger Clown. »Wo gehen wir hin?«, fragte ich, wobei mir Tränen in den Augenwinkeln brannten. Ich beschloss, einen Fluchtversuch zu wagen, falls sie die Richtung nach Hause einschlug. Es kümmerte mich nicht, ob ich den ganzen Weg bis zu Jamie würde laufen oder sogar im Park im Freien würde schlafen müssen. Ich würde dorthin nicht zurückgehen. Als wir aber etwa auf der Höhe der Eisdiele waren, bog Mum in eine Seitenstraße ab. Ich runzelte die Stirn, denn in der

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