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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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von dem vielen, was wir machen, haben wir gut gemacht?»
    «Wie wir diesen Dachboden ausgebaut haben, das haben wir gut gemacht. Richtig gut-gut.»
    Bestätigendes Kaffeeschlürfen von Sonja.
    «Ist jetzt auch schon wieder drei Jahre her», sinniere ich. «Stell dir vor, wir hätten hier Wände reingezogen, wie ursprünglich geplant, und hätten diesen schönen großen Dachraum in vier Zimmerchen zerstückelt. Nicht auszudenken.»
    «Oder wir hätten Blümchentapeten an die Wände geklebt. Ganz im Stil der Vorbesitzer», kichert Sonja.
    «Oder wir hätten die Dachfenster einzeln verteilt, statt großflächig vereint.»
    «Tja», macht meine Frau, «da hatten wir Riesenglück.»
    «Wie meinst du, warum Glück?»
    «Dass wir keine Millionäre sind und darum nicht alles einfach ruckzuck hinklotzen konnten. Ditaaaa, wir hätten nur Fehler gemacht, nichts als Fehler!»
    Ich nicke und überlege, wie viele Ehemänner es wohl geben mag, die von ihrer Frau frühmorgens zu hören bekommen, was für ein Glück es sei,
nicht
mit einem Millionär verheiratet zu sein. Und wie viele Paare, die den Tag mit einem solchen Naturschauspiel beginnen dürfen. In aller Ruhe. Und ich komme zum Schluss, dass wir beide bestimmt die Einzigen auf der Welt, ja, im ganzen Universum sind, die diesen Morgen genau so erleben: mit Kaffee und dieser halben Stunde Faulenzen und Staunen. Mit Zeit, die uns gehört. Nur uns.
    Ich erinnere mich gut, wie fremd mir dieses hundertjährige Bauernhaus war, damals nach dem Umzug von den Schweizer Voralpen hierher, nach Amerika, Brandenburg. Mit seiner kranke-Hunde-kackfarbenen Fassade, seinen schrill-bunten Blümchentapeten, den gleichermaßen teuren wie hässlichen Bodenbelägen über den alten Originaldielen, mit all diesen Verschönerungs- und Aufwertungsmaßnahmen, welche die bayerischen Vorbesitzer dem bedauernswerten Gebäude angetan hatten. Und wie ich sofort wild draufloszuplanen begann und ganz genau zu wissen meinte, was da alles wo überall ganz anders werden müsse. Und wie oft wir inzwischen gelacht haben über diese «Superideen», die zum Glück mangels Geld nicht umgesetzt worden waren …
     
    Ich kämpfe mich aus dem Sessel und bewege mich Richtung Bett. Ein inniger Morgen-Kaffee-Kuss ist mein Begehr und Plan, da werde ich ganz und gar unromantisch gestoppt von einem brutal-grellen Panik-Gepiepse. Wie ich dieses Schnurlostelefon mit seinem Drecks-Klingelton hasse! Dieses extrem nervöse Zwitschern in einer Mark und Bein durchdringenden Tonfrequenz. Zwi-wi-wi-wi-wi-wi-wi!
    Das muss ein Sadist einprogrammiert haben, ein Folterexperte, ein Quäl-Lüstling. «Alarm!», ruft der kleine Schweizer, der sein Unwesen in mir treibt, noch immer, und den ich wohl nie ganz los werden kann. «Alarmstufe Rot! Da ischt etwas ganz, ganz Furchtbares passiert, hä. Wenn da einer schon um – Moment –, am null sächsi drü drü anläutet, dann bedeutet das gar nichts Gutes, hä.»
    Meine Adrenalinschleusen öffnen sich schlagartig. Das letzte Mal, als das Telefon so früh geklingelt hat, damals, als wir noch auf dem gemieteten kleinen Hof in den Schweizer Voralpen wohnten, da war der Bauer vom unteren Nachbarhof dran gewesen. Er hatte sich erkundigt, ob wir Laub verbrennen, so früh am Morgen, oder ob bei uns etwa die Scheune in Flammen stehe. Ich war nach draußen gestürmt und von blankem Entsetzen gepackt worden, angesichts der aus dem Dach schlagenden Flammen. Die bloße Erinnerung daran beschleunigt meinen Puls in null Sekunden von meditativen sechzig Schlägen pro Minute auf hektische 320 .
    «Die Scheune brennt samt eurer ganzen schönen Heuernte», zetert prompt der kleine Schweizer in mir. Die Bilder von damals tauchen in mir auf, wie ich auf dem Dachfirst reitend und gegen den beißenden Rauch anhustend Ziegel herausgerissen habe, um an den Brandherd zu kommen, wie ich hilflos mit dem lächerlichen Wasserstrahl des Gartenschlauchs versucht habe, den Flammen Herr zu werden, wie ich im Haus, die Feuerwehrspritze in der Hand, den herunterfallenden Glutkometen auszuweichen versucht habe … Und jetzt schon wieder? Das darf nicht wahr sein! Ich katapultiere mich zum Nordfenster. Meine Augen versuchen, das trübe Morgenlicht zu durchdringen. Und wirklich: Da wälzen sich bereits weiße Rauchschwaden träge über das Scheunendach. Ich reiße das Fenster auf.
    «Was machst du für einen Blödsinn?», giftet der kleine Schweizer. «Willst du zum Löschen rüberspucken?»
    Zwi-wi-wi-wi-wi-wi-wi!!
    Ich

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