Lieber Feind
Ich habe meinen Sinn geändert. Die Person, die Ihr schicken wollt, klingt genau wie der Zwilling von Miß Snaith. Wie könnt Ihr verlangen, daß ich meine Lieblinge einer guten, aber untüchtigen Dame mittleren Alters ohne Kinn übergebe? Schon der Gedanke daran dreht einer Mutter das Herz herum.
Bildet Ihr Euch ein, daß eine solche Frau diese Arbeit auch nur vorübergehend fortführen könnte? Nein! Wer eine Anstalt wie diese leitet, muß jung und kräftig und energisch und kraftvoll und tüchtig und rothaarig und gut gelaunt sein, wie ich. Natürlich war ich unzufrieden — das wäre jeder, wenn der Karren so im Dreck steckt —, aber es ist das, was Ihr Sozialisten eine heilige Unzufriedenheit nennt. Und glaubt Ihr, ich würde alle die herrlichen Reformen im Stich lassen, die ich so mühevoll gestartet habe? Nein! Mich kriegt Ihr nicht von der Stelle, bis Ihr eine Vorsteherin gefunden habt, die Sallie McBride übertrifft.
Das bedeutet aber nicht, daß ich mich auf ewig festlege. Nur fürs erste, bis alles in Gang kommt. Solange die Periode des Gesichtwaschens, Lüftens, Instandsetzens dauert, habt Ihr, glaube ich, wirklich die richtige Person gewählt, als Ihr auf mich kamt. Ich bin darauf versessen, Verbesserungen zu planen und Menschen herumzudirigieren.
Das ist ein furchtbares Durcheinander von einem Brief; aber ich schmiere ihn in drei Minuten hin, damit er Euch erreicht, bevor Ihr jene freundliche, untüchtige, ältliche Person ohne Kinn engagiert.
Bitte, liebe Frau, lieber Herr, nehmt mir die Stelle nicht weg! Laßt mich noch einige Monate bleiben. Laßt mich beweisen, was ich kann, und ich verspreche, daß Ihr es nie bereuen werdet.
S. McB.
J.G.H.,
Donnerstag nachmittag .
Liebe Judy!
Ich habe ein Gedicht gemacht, einen Triumphgesang:
Herr Robin MacRae
Hat gelacht heute.
Es war wirklich so.
S. McB.
John-Grier-Heim,
13. April.
Liebe Judy!
Ich bin erfreut zu hören, daß Ihr erfreut seid zu hören, daß ich bleiben werde. Ich war mir dessen nicht bewußt, aber ich entwickle wirklich eine Art Zuneigung zu Waisen.
Es ist eine arge Enttäuschung, daß Jervis geschäftlich so viel länger im Süden bleiben muß. Ich platze vor Redelust, und es ist so mühselig, alles aufschreiben zu müssen, was ich sagen will.
Natürlich freue ich mich, daß das Gebäude umgebaut werden soll, und ich finde alle Deine Ideen gut, aber ich habe selbst noch ein paar zusätzliche. Es wird schön sein, eine neue Turnhalle und Schlafbalkone zu haben, aber ach, meine Seele dürstet nach Villen! Je besser ich den internen Betrieb eines Waisenhauses kennenlerne, desto klarer sehe ich, daß die einzige Art Anstalt, die mit der Privatfamilie konkurrieren kann, eine mit Villen-Anlage ist. Solange die Familie die Einheit der Gesellschaft ist, sollten die Kinder früh fürs Familienleben abgerichtet werden.
Das Problem, das mich zur Zeit nicht schlafen läßt, ist die Frage: was werden wir während des Umbaues mit den Kindern tun? Es ist schwierig, m einem Haus zu leben und es gleichzeitig umzubauen. Wie wäre es, wenn ich ein Zirkuszelt mieten und auf der Wiese aufstellen würde?
Außerdem möchte ich, wenn wir schon unsere Veränderungen planen, ein paar Gastzimmer haben, wohin die Kinder zurückkehren können, wenn sie krank sind oder arbeitslos. Das große Geheimnis unseres bleibenden Einflusses auf ihr Leben wird unsere spätere wache Fürsorge sein! Was für ein schrecklich einsames Gefühl muß ein Mensch haben, hinter dem keine Familie schwebt. Ich mit all meinen Dutzenden von Tanten und Onkeln und Müttern und Vätern und Vettern, Cousinen, Brüdern und Schwestern kann es mir gar nicht vorstellen. Ich würde voller Schrecken dauernd außer Atem sein, wenn ich nicht in Deckung gehen könnte. Und für diese verlorenen kleinen Würmer muß auf irgendeine Weise das John-Grier-Heim dieses Bedürfnis erfüllen. Also, meine Lieben, schickt mir bitte ein halbes Dutzend Fremdenzimmer.
Adieu, und ich bin froh, daß Ihr nicht die andere Frau eingesetzt habt. Die bloße Andeutung, daß jemand anderes meine eigenen schönen Reformen übernehmen könnte, bevor sie überhaupt begonnen haben, hat alle Opposition in mir aufgerührt. Ich fürchte, ich bin wie Sandy — ick kan mi jüst ni denken, dat dat got geiht, wat ick nich sülben do.
Fürs erste die Eurige
Sallie McBride.
John-Grier-Heim, Sonntag.
Lieber Gordon!
Ich weiß, daß ich in letzter Zeit nicht geschrieben habe. Du hast alles Recht, knurrig zu sein, aber,
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