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Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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auf Umwegen durch das ganze Gebäude und versteckte es unter seinem Bett, was er für ein sicheres Versteck hielt. Dann ging er -— wie vorgesehen — ins Souterrain, um beim Eismachen für unsere Gäste zu helfen.
    In der kurzen Zeit, die verblieb, entfachten wir so viele Gegengerüche wie möglich. Noah (der Negerheizer) zündete in Abständen auf dem Gelände Rauchfeuer an. Die Köchin schwenkte eine Schaufel brennenden Kaffees durchs Haus. Betsy bespritzte die Gänge mit Ammoniak. Miß Snaith behandelte die Teppiche zierlich mit Veilchenwasser. Ich sandte einen Hilferuf an den Doktor, der auch kam und eine riesige Lösung Chlorkalk anrührte. Aber trotzdem schrie über und unter und durch jeden anderen Geruch hindurch das unbegrabene Gespenst von Tammas’ Opfer um Rache.
    Der erste Punkt, der bei der Sitzung behandelt wurde, war die Frage, ob wir ein Loch graben und nicht nur Tammas, sondern das ganze Gebäude begraben sollten. Ihr erkennt, mit welcher Eleganz ich die Angelegenheit behandelte, wenn ich Euch erzähle, daß der ehrenwerte Cy auf dem Heimweg über eine komische Geschichte lachte, statt über die Unfähigkeit der neuen Leiterin, mit Buben umzugehen, zu knurren.
    Wi möt unser iegn Krüz drägen.
    Wie immer
    S. McBride.

    John-Grier-Heim,
    Freitag, ebenfalls Samstag.
    Liebe Judy!
    Singapur lebt immer noch in der Remise und erhält täglich ein karbolduftendes Bad von Thomy Kehoe. Ich hoffe, daß es in der fernen Zukunft meinem Liebling eines Tages wieder möglich sein wird, zurückzukehren.
    Es wird Dich freuen, zu hören, daß ich ein neues System eingeführt habe, um Dein Geld auszugeben. Wir werden von jetzt an einen Teil unserer Schuhe und Nährmittel und Kolonialwaren in hiesigen Läden kaufen. Die Preise sind nicht ganz so niedrig wie die der Großhändler, aber immerhin herabgesetzt, und die Lehre, die dabei herausspringt, wiegt den Unterschied auf. Mein Grund ist folgender: Ich habe festgestellt, daß die Hälfte der Kinder nichts vom Geld und seinem Kaufwert weiß. Sie meinen, daß Schuhe und Maismehl und rote Flanellunterröcke und Hammelstew und Kattunhemden einfach vom blauen Himmel herunterschweben.
    Letzte Woche ist mir ein neuer grüner Ein-Dollar-Schein aus dem Portemonnaie gefallen, ein achtjähriger Bengel hat ihn aufgehoben und gefragt, ob er das Bild mit dem Vogel behalten dürfe (der amerikanische Adler in der Mitte). Dieses Kind hatte noch nie in seinem Leben einen Geldschein gesehen! Ich begann eine Untersuchung und entdeckte, daß Dutzende von Kindern in dieser Anstalt noch nie selbst etwas gekauft haben oder auch nur zugesehen haben, wie andere etwas einkauften. Und wir wollen sie mit sechzehn Jahren in eine Welt schicken, die ganz und gar von der Kaufkraft des Dollars und Gents beherrscht wird! Sie werden kein behütetes Leben mit jemand führen, der dauernd für sie sorgt; sie müssen sehen, wie sie so viel wie möglich aus jedem Pfennig, den sie zu verdienen imstande sind, herausschinden können.
    Ich habe mir die Frage mit Unterbrechungen eine ganze Nacht lang überlegt und bin am nächsten Morgen um 9 Uhr ins Dorf gegangen. Dort habe ich mit sieben Ladeninhabern verhandelt, habe vier willig und hilfsbereit gefunden, zwei zweifelhaft und einen ausgemacht dumm. Ich habe mit den vieren einen Anfang gemacht, Schnittwaren, Lebensmittel, Schuhe und Papierwaren. Als Gegengabe für einigermaßen große Aufträge von uns sollen sie und ihre Verkäufer sich zu Lehrmeistern unserer Kinder machen, welche ins Geschäft gehen, die Ware ansehen und ihre eigenen Einkäufe mit echtem Geld machen sollen.
    Sagen wir mal: Jane braucht eine Spule blaue Nähseide und einen Meter Gummiband. Also laufen zwei kleine Mädchen, denen ein silbernes 25-Cent-Stück anvertraut wurde, Hand in Hand zu Mr. Meeker. Sie wählen besorgt die Farbe der Seide aus und beobachten eifersüchtig den Verkäufer, während er das Gummiband mißt, um sicher zu sein, daß er es nicht dehnt. Dann bringen sie sechs Cents Wechselgeld zurück, erhalten von mir Dank und Lob und kehren im Gefühl, etwas geleistet zu haben, bebend in ihre Reihen zurück.
    Ist es nicht mehr als rührend? Gewöhnliche Kinder wissen mit zehn oder zwölf Jahren so vieles, wovon unsere Brutkastenkücken nie geträumt haben. Aber ich habe einen Haufen Pläne ausgeheckt. Gib mir nur Zeit, und Du wirst staunen. Eines Tages werde ich nahezu normale Jugendliche hervorbringen.

    Später.
    Ein freier Abend liegt vor mir. Also setze ich mich hin, um mit

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