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Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und schenkt der Ehefrau Blumen,
     bevor sie von der Existenz der Geliebten erfährt.
    In der Türkei gibt es nur eine einzige Vorbeugemaßnahme, die bei allen Sorgen und Problemen, die eventuell auftreten könnten,
     sofort und für immer hilft: nämlich ein fettes Schaf zu schlachten!
    Soll der neugeborene Sohn kein Versager werden – schlachte ein Schaf! Soll die Ehe lange halten – schlachte ein Schaf! Soll
     die Geliebte nicht zicken – schlachte ein Schaf! Soll der neue Wagen nicht kaputtgehen – schlachte ein Schaf!
    Weißt Du noch, wie letzten Sommer im Dorf meine Tochter Hatice erschrocken und ängstlich den stolzen Autobesitzer Hamdi mit
     dem langen Messer fragte:
    »Onkel, warum willst du denn das arme Schaf totmachen?«
    |72| »Damit mein neuer Wagen heil bleibt, mein Kind. Das geht nicht anders«, sagte der Hamdi wahrheitsgemäß.
    »Wenn du Angst hast, dass das Schaf heimlich dein Auto kaputtmacht, dann können wir das Schäfchen doch mit nach Deutschland
     nehmen«, bettelte sie. Und hat danach einen Heulanfall gekriegt, weil Hamdi mit dem strömenden Blut des Tieres alle vier Reifen
     beschmierte, damit sein Auto keinen Unfall baut.
    »Aber das arme Schaf hat doch noch gar nichts getan!«, schluchzte Hatice.
    »Es wird jetzt meinen Wagen schützen«, lächelte Hamdi.
    Noch tagelang hat Hatice davon geträumt und wie ein Rohrspatz geschimpft:
    »Wie soll denn ein totes Tierchen ein Auto schützen, verdammt noch mal? Sind denn hier alle bescheuert?«
     
    Lieber Onkel Ömer, in den guten alten 70er- und 80er-Jahren ging man auch in Deutschland mit dem Auto schön unverkrampft um.
     Selbstverständlich schlachtete keiner von uns Schafe gegen eventuelle Unfälle, wir hatten doch alle eine Vollkasko-Versicherung.
     Aber die obligatorische Autoinspektion konnten wir direkt vor der Tür selber erledigen, die teuren Werkstattpreise konnte
     niemand bezahlen. Damals in dieser glücklichen Zeit erneuerten wir die komplette Hinterachse oder den Auspuff auf dem Bürgersteig
     vor unserer Haustür. Beim Bremsbeläge-Wechseln war ich damals Rekordhalter bei uns im Karnickelweg. In nur achtundsiebzig
     Minuten habe ich sie ausgewechselt – wohlgemerkt an allen vier Rädern!
    Nach der Reparatur durften wir jeden Samstag mit eimerweise Wasser, literweise Schampuu und massenweise |73| Schaum so lange unsere Autos waschen, wie wir wollten. Der Samstagnachmittag war damals für mich wie Weihnachten, Ramadan,
     Silvester, Sommerschlussverkauf und Sperrmülltag in einem. Ich habe stundenlang mit meinem Ford-Transit zusammen gebadet,
     ihn getrocknet, poliert und mit Watte abgerieben. Danach alle Teppiche gesaugt, sauber gewischt und die neu gehäkelten Gardinen
     im Innenraum aufgehängt.
    Mein Nachbar Nedim, der damals noch so ein alter Kommunist war wie mein Sohn Mehmet, lag jeden Samstag stundenlang unter seinem
     roten Lada, um zum x-ten Mal das Getriebe auszuwechseln.
    »Dieses verdammte Getriebe ist die einzige Schwachstelle am ruhmreichen sowjetischen Lada. Schade, dass Karl Marx im Kapital
     nicht erwähnt hat, wie man es besser machen kann«, schimpfte er immer wieder, ölverschmiert am ganzen Körper.
    Ich hab es nie übers Herz gebracht, ihm die bittere Wahrheit zu sagen, nämlich dass der Fehler nur bedingt bei den Kommunisten
     lag, sondern zum Großteil an seinem Fahrstil! Er ist sein ganzes Leben lang mit der Schaltung nicht klargekommen. Er fuhr
     immer im zweiten Gang los, und bei 95 km/h (wenn es bergab ging und es dazu starken Rückenwind gab, ist sein klappriger Lada
     ab und zu schon mal so schnell gefahren) hat er vom vierten in den zweiten Gang zurückgeschaltet – einfach so, aus purer Langeweile!
    Dann gab’s in unserer Straße noch den Norbert, der ständig mit mürrischem Gesicht, ohne jemals mit jemandem ein Wort zu wechseln,
     seinen kackbraunen Opel-Admiral gewienert hat. Jeden Tag! Mit meinem einmaligen Waschgang |74| pro Woche kam ich mir ganz schön schäbig und dreckig vor, bis er in einem seiner schwachen und gesprächigen Momente den wahren
     Grund seines Sauberkeitswahns preisgegeben hat: Immer wenn er sich mit seiner Frau Hannelore verkracht hatte, sagte er, ist
     er mit mehreren Putzeimern bewaffnet die vier Stockwerke runtergepoltert, um seinen riesigen Opel-Admiral zu waschen und dabei
     seinen Ärger loszuwerden. Damals gab’s leider diese schicke und robuste Metallic-Lackierung noch nicht. Nach der einmillionsten
     Wäsche stand Norberts Opel-Admiral zum Schluss so nackt

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