Lieber Onkel Ömer
da, wie General Motors ihn im Montagewerk geschaffen hatte.
Nachdem dann Nedim, Norbert und ich am Samstag unsere Autos richtig schön gewaschen, poliert, tiefergelegt, aufgemotzt und
mit den lautesten Lautsprechern ausgestattet hatten, fuhren wir zusammen im Konvoi in die Innenstadt, um es krachen zu lassen
und bei den Mädels mächtig anzugeben. Aber das war früher!
Lieber Onkel Ömer, das Glück des Autoliebhabers währte nicht lange!
Ein paar Spinner, getarnt als Umweltschützer, gesponsert vor der Autowasch-Mafia, haben die Regierung gezwungen, unmenschliche
Gesetze zu erlassen. Nun dürfen wir unser bestes Stück nicht mehr vor der eigenen, vertrauten Haustür waschen, sondern nur
noch in anonymen Ford-Transit-feindlichen Waschcentern, wie es sie ja neuerdings auch überall in der Türkei gibt. Mein armer
Franz-Josef bricht sich in diesen finsteren Duschtunnels jedes Mal was ab. Aber ich bin schon froh, dass er sich überhaupt
reintraut, meine Frau flüchtet nämlich sofort aus dem Wagen |75| , wenn sie so eine Horrordusche auch nur von Weitem sieht.
Lieber Onkel Ömer, ich hatte noch Glück im Unglück! Ich fand in dieser schwierigen Zeit meinen türkischen Automechaniker Necati.
Bei dem kostete das Autowaschen die Hälfte und eine Inspektion fünf Mal weniger Geld als in einer deutschen Fachwerkstatt.
Und als Gratiszugabe bekomme ich dort noch so viel lauwarmen schwarzen Tee zu trinken, bis ich grün werde. Der einzige Nachteil
ist, dass nach der Inspektion immer irgendein Teil vom Wagen fehlt. Letztens war es der Motor.
»Necati, was habt ihr mit meinem schönen Motor gemacht? Ihr solltet doch nur den Kotflügel ausbeulen«, brüllte ich ihn an.
»Ehrenwerter Osman Bey, wir haben nicht mal die Motorhaube von Ihrem guten Auto aufgemacht«, schwor Necati beim Leben seiner
Frau, seiner Schwiegereltern und seiner fünf Hilfsarbeiter.
Ich war mir ganz sicher, dass mein Franz-Josef einen gemütlich knurrenden Motor hatte, als ich zur Werkstatt gefahren bin.
Deshalb rief ich sauer:
»Necati, so ein Motor kann sich doch nicht von alleine aus dem Staub machen, verdammt!«
»Osman Bey, bei diesen älteren Transit-Modellen ist alles möglich. Ist alles schon mal dagewesen. Wie viel Stück Zucker möchten
Sie in Ihrem Tee haben?«, lächelte er fachmännisch.
»Aber Necati Bey, Sie wissen doch, dass ich hier gestern ohne Abschleppwagen angekommen bin. Mein schöner grasgrüner Ford-Transit
ist auf seinen eigenen vier Rädern hier reingefahren«, bestand ich auf meiner Meinung.
|76| »Ehrenwerter Osman Bey, ich will Ihnen nichts unterstellen, aber wer weiß, wer von hinten geschoben hat«, sagte er schlitzohrig
und zeigte seine gelben Zähne, »so ein Ford-Transit ist riesig. Da können sich leicht mehrere Leute dahinter versteckt und
geschoben haben. Erst letzte Woche kam hier einer mit nur einem Rad an und behauptete hinterher, mit vier Rädern gekommen
zu sein. Zum Glück hatte ich im Lager die drei passenden Originalreifen für ihn vorrätig.Sogar mit dem gleichen Profil«, erklärte
er weiter.
Der Necati hatte zum Glück für mich auch den passenden Originalmotor vorrätig. Der neue Ford-Transit-Motor verlor sogar an
der gleichen Stelle Öl wie mein alter Motor.
Deshalb habe ich gestern einen unbezahlten Urlaubstag genommen, als ich meinen Franz-Josef zu ihm zur Inspektion fuhr, und
habe den Wagen keine Sekunde aus den Augen gelassen, bis er es überstanden hatte. Diesmal hat er es dank meiner stundenlangen
Wache in Necatis Werkstatt ohne größere Verluste heil überlebt. Was ich von mir nicht behaupten kann. Ich habe immer noch
heftige Magenkrämpfe von den einundzwanzig Gläsern des abgestandenen schwarzen Tees.
Aber das ist doch egal, Hauptsache, meinem Ford-Transit geht es gut, und weder aus dem Motor noch aus der Karosserie ist ein
einziges wichtiges Teil verschwunden. Nur meine Sonnenbrille aus dem Handschuhfach. Aber die war sowieso ziemlich zerkratzt.
Lieber Onkel Ömer, ich küsse Dir, Tante Ülkü und allen Älteren in unserem schönen Dorf ganz herzlich mit großem |77| Respekt die erfahrenen Hände und allen Jüngeren mit viel Liebe die hübschen, unschuldigen Augen.
Eminanim und die Kinder grüßen Euch selbstverständlich auch und küssen den Älteren mit viel Respekt die Hände und den Jüngeren
mit viel Liebe die Augen.
Pass gut auf Dich auf, bleib gesund, iss genug Knoblauch und danke fünfmal am Tag Allah, dass weder
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