Lieber Onkel Ömer
Du noch Dein Esel Tarzan
jedes Jahr zur Inspektion müssen, bei der Euch irgendwelche dicken Schläuche irgendwo reingeschoben werden.
Dein Dich über alles liebender Neffe aus dem verregneten Alamanya
PS: Lieber Onkel Ömer, mein Albtraum will einfach kein Ende nehmen, mehr noch, diese schreckliche Horrorvision geht unaufhörlich
weiter!
Als ich von Necatis Werkstatt nach Hause kam, sah ich die ganzen Weiber aus unserer Straße in der Küche Schlange stehen, und
Eminanim schaute unserer Nachbarin von der dritten Etage, Oma Fischkopf, in den Mund.
»Ich kann seit Tagen nicht gut schlucken«, röchelte die alte Dame wie in einer Arztpraxis.
»Das haben wir gleich, Frau Fischkopf, ich verschreibe Ihnen etwas Salbeitee, und in zwei Tagen ist die Schwellung ganz bestimmt
wieder weg«, sagte meine Frau Eminanim und kritzelte etwas auf ein Stück Papier.
»Danke, Frau Doktor, vielen herzlichen Dank«, sagte Oma |78| Fischkopf und meinte damit tatsächlich Eminanim. »Ich finde es toll, dass wir endlich eine Ärztin im Haus haben. Sogar zwei
Ärztinnen. In meinem Alter ist es eine große Qual, stundenlang in Arztpraxen zu warten«, rief sie weiter. Meine Frau hatte
ihren normalen grünen Kittel, also den mit den roten und gelben Rosen drauf, gegen einen blütenweißen ausgetauscht. Ihre Studienkollegin
Ümmüyanim saß am Küchentisch und frühstückte in aller Ruhe meine Brötchen.
Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und hab rumgebrüllt:
»Eminanim, das kann doch nicht wahr sein, bist nun wirklich eine Ärztin oder was?«
»Osman, wie oft sollen wir es dir denn noch sagen?«, hat sie geantwortet. »Du weißt doch schon alles Wesentliche über mein
Studium, die Stadt, meine Uni und meinen Professor«, sagte sie weiter.
In dem Moment bin ich völlig ausgeflippt:
»Frau, du meinst, ich hab jahrelang im Bett neben einer Ärztin gelegen und habe trotzdem ständig ein Vermögen an Praxisgebühr
für fremde Ärzte bezahlt? Du hast dich nicht mal um meine schreckliche Männergrippe gekümmert, sondern seelenruhig zugesehen,
wie ich einen bakterienverseuchten Notarzt gerufen habe«, schimpfte ich.
Lieber Onkel Ömer, schließe mich bitte in Dein Nachtgebet ein, damit diese Qual möglichst bald aufhören möge. Aber mach bitte
schnell! Schlaf gut!
Ostern
Mein lieber Onkel Ömer,
wie geht es Dir, und wie geht es meiner lieben Tante Ülkü? Wie geht’s der hübschen Kuh Pembe, wie geht’s der schwarz gepunkteten
Ziege Fatima, wie geht’s Deinem störrischen Esel Tarzan, und wie geht’s unserem guten alten Dorfvorsteher Hüsnü?
Lieber Onkel Ömer, was Weihnachten ist, das weiß ja jeder auf der Welt – sogar Du! Da wurde der Prophet Jesus geboren. Und
an seinem Geburtstag wurden damals sofort alle Uhren und Kalender auf der gesamten Welt auf null gestellt.
Aber was Ostern ist, das wissen nicht so viele Leute – Du erst recht nicht. Da wurde der Prophet Jesus geboren … ich meine
natürlich, da wurde er wiedergeboren. Genauer gesagt am Ostersonntag. Zwei Tage vorher, am Karfreitag, wurde er nämlich auf
bestialische Weise an einen Holzpfosten genagelt. Er war also nur zwei Tage tot.
Eigentlich hätte man am Ostersonntag den Kalender und die Uhren auf null stellen sollen. Ich finde, dass Wiedergeborenwerden
eine viel größere Leistung ist, als einfach nur geboren zu werden. Das haben Du und ich und jeder Hans und Franz auch mindestens
einmal im Leben geschafft |80| , ohne uns dafür groß anzustrengen. Nun gut, bei Jesus mag die Geburt schon ein bisschen schwerer gewesen sein, da seine Mutter
nicht nur bei seiner Zeugung, sondern sogar nach seiner Geburt immer noch Jungfrau war. Die Hebamme hat das damals jedenfalls
bestätigt – Jesus auch!
Ich sehe Dich jetzt förmlich vor mir, wie Du Dich völlig verwirrt und ziemlich stark am Kopf kratzt, als hätten die ganzen
Läuse im Dorf Dein Haupt als Basar ausgesucht. Du denkst jetzt bestimmt, was ist denn dabei, wenn dieser Prophet damals auferstanden
ist! Alle Toten stehen im Jenseits wieder auf und landen entweder im Paradies oder in der Hölle.Du hast recht, aber Jesus
war schon was Besonderes, er ist halt viel früher auferstanden, und zwar in Jerusalem und nicht erst im Jenseits, und das
macht den großen Unterschied zwischen ihm und uns Normalsterblichen aus.
Ostern wird überall in der christlichen Welt und natürlich auch in Alamanya groß gefeiert. Ich freue mich darüber ganz
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