Lieber Onkel Ömer
Zeit hatte sie sich ein paar Mal bewegt. Was wohl heißen sollte:
»Osman, mach endlich Frühstück. Ich bin nicht tot. Ich werde mitfrühstücken.«
Dann war es 15:29 Uhr. Lieber Onkel Ömer, rate doch mal, was meine Frau so spät am Samstagnachmittag gemacht hat? Nein, falsch
geraten, sie schlief nicht.Sie lag nur im Bett und tat so. Kein Mensch kann von 22 Uhr abends bis 15:29 Uhr am nächsten Tag
durchschlafen. Als wenn sie wüsste, was ich dachte, hatte sie zwischenzeitlich reichlich laut geschnarcht, um mich vom Gegenteil
zu überzeugen.
Die Lautstärke ihres Schnarchens nahm sogar zu, und zwar immer dann, wenn es an unserer Haustür klingelte. Gut, dass sie beim
ersten Klingeln nicht aufstand, das sehe ich noch ein. Der Postbote konnte die Mahnungen ja auch am nächsten Montag zustellen.Dass
sie das zweite Klingeln überhörte, war auch verständlich.
Das war unsere Nachbarin Erkek Fatma von gegenüber, die jeden Tag bei uns klingelt, um sich etwas türkisches Olivenöl auszuleihen.
Dann musste sie eben an diesem Internationalen Frauentag mal mit deutscher Margarine kochen. Andere Frauen haben an diesem
Tag also sogar gekocht, sogar Erkek Fatma, aber meine Frau Eminanim wollte nicht mal Frühstück vorbereiten!
Aber als meine Frau nicht mal Hatice die Tür öffnete, |66| obwohl sie eine Ewigkeit ununterbrochen laut gebimmelt und mit ihren Stiefeln gegen die Tür gehämmert hatte, ging sie ganz
klar einen Schritt zu weit.
Wie konnte sie denn so was ihrem eigenen Fleisch und Blut antun? Ihrem geliebten Kind, das sie fast einen Tag nicht gesehen
hatte! Wegen eines lumpigen Frühstücks ließ sie es auf der Straße sitzen! Was sollte jetzt aus dem armen Kind werden? Ich
hoffte insgeheim, dass Hatice wieder zu meiner Schwiegermutter zurückgehen und nicht auf die schiefe Bahn geraten würde –
fragt sich allerdings, was von beidem schlimmer ist.
Mittlerweile war es sogar 17:43 Uhr! Ich lag schweißüberströmt im Bett und versuchte, die Zähne und Beine zusammenzukneifen.
Ich überlegte die ganze Zeit, wie man wohl einen Schlafwandler spielen könnte, der zum Klo geht.
In meiner Verzweiflung fing ich an, Kampfträume zu simulieren. Mehrere Male sprang ich bis an die Decke und habe mich dann
laut schreiend aufs Bett fallen lassen. Bruce Lii war nichts dagegen. Aber von Eminanim kam immer noch keine einzige Reaktion.
Der Internationale Frauentag schien aus meiner Frau nicht nur eine brutale Rabenmutter, sondern auch eine taube Nuss gemacht
zu haben.
Dann wurde es dunkel und 20:13 Uhr abends!
Meine Frau hatte ihren Winterschlaf immer noch nicht beendet. Mittlerweile waren wir so weit, dass wir in unseren Träumen
miteinander sprechen konnten.
Ich tat so, als ob ich im Traum mit mir selbst redete und dabei gleichzeitig ganz fest schlief. Ich ließ nichts unversucht,
um meine Frau zum Aufgeben zu zwingen.
|67| Ich sagte mit ernster Stimme zu mir:
»Oh, Osman, es ist bereits nach 20 Uhr. Wenn du jetzt aufstehst, brauchst du kein Frühstück mehr zu machen.«
Meine Frau antwortete, während sie gleichzeitig ganz schön laut schnarchte:
»Das macht nichts, Osman, ich wäre auch mit einem Abendessen einverstanden.«
Mir war unverständlich, wie sie gleichzeitig reden und schnarchen konnte.
Aber ich war besser als sie. Ich konnte reden, während mir gleichzeitig der Magen knurrte. Ich sagte ziemlich wütend:
»Frau, da kannst du lange drauf warten! Ich werde wohl kaum vor morgen Früh aufstehen!«
»Das trifft sich gut, Osman. Wir hatten ja auch Frühstück abgemacht«, antwortete sie, ohne ihr Schnarchen zu vergessen.
Bei Allah, sie musste ja nicht gleich in einen Generalstreik treten, nur weil an diesem Tag Internationaler Frauentag war!
Eminanim war auf dem besten Wege, ihren Weltranglistenplatz als die zweitgrößte Nervensäge des Mittleren Orients aufzugeben
und einen Platz höher zu steigen.
Lieber Onkel Ömer, nach fast zwei Tagen haben Hatice, Mehmet und meine Schwiegermutter unser Schlafzimmer gestürmt. Mit vereinter
Kraft haben sie es geschafft, uns zwei Halbverhungerte aus dem Bett zu zerren. Entkräftet, aber zugleich triumphierend rief
Eminanim mir zu:
»Du hast verloren, Osman. Du musst das Frühstück machen! Meine Mutter hat dich zuerst aus dem Bett gezogen!«
|68| War ja wieder klar, dass Mutter und Tochter wie immer zusammenhalten.
Siehst Du, lieber Onkel Ömer, solche schwachsinnigen Tage nützen niemandem, weder den
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