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Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Titel: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sinclair
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stammen, als mein Großvater eine längere Renovierung vornehmen ließ. In den Fußboden im ersten Stock sind rundgeschliffene gelbe Mosaiksteinchen eingelassen. Die Treppe zwischen Erdgeschoss und erstem Stock schmücken mit Facettenspiegeln verblendete Arkadenbögen, Repliken derer an der Fassade.
    Ich betrete den großen Saal im Erdgeschoss, den ich nach den Fotos wiedererkenne, die ich bei meinem Großvater gesehen habe. Hier fanden alle Ausstellungen in der Rue La Boétie statt, an den Wänden hingen einen Monat lang Bilder von Braque, im nächsten von Matisse und im dritten von Picasso. Jetzt heißt er »Mississippi-Saal« und dient als Versammlungsraumder leitenden Angestellten von Veolia. Das Parkett aus schmalen Eichenlamellen ist unverändert. Und ich erkenne sofort die Täfelungen von den Fotos wieder. Ebenso die verglaste Decke, die wie in vielen Galerien damals ein gedämpftes Licht verbreitete, das die eckigen Linien der kubistischen Bilder abmilderte.
    Wenn ich die Augen halb schließe, sehe ich sie an den Wänden, die großen Gemälde der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Wenig später wurden sie in ebendiesen Räumen vom Porträt Marschall Pétains abgelöst…
    1927 beschrieb der bekannte Kunstkritiker, -sammler und -verleger griechischer Herkunft, Tériade, in den
Feuilles volantes,
der Beilage der Zeitschrift
Cahiers d’Art,
die Galerie Rosenberg folgendermaßen: »Nun stehen wir in einem riesigen Raum mit hoher Decke, schmucklosen Wänden und nüchternem Licht, einem Raum, in dem die dunkelbraunen Vorhänge zur Meditation einladen und die beiden einzigen, mit dunklem Samt bezogenen Sessel Ihnen die Arme entgegenstrecken wie zwei Inquisitionsrichter; nein, sie strecken sich Ihnen nicht entgegen, sondern packen Sie an der Gurgel. So rücken die Meisterwerke uns näher. Stürme der Einsamkeit und Nüchternheit wehen durch diesen Raum, und Sie beginnen die Inexistenz zu schätzen, die Inexistenz von allem außer der gemalten Fläche. (…) Paul Rosenberg ist schwarz gekleidet. Er hat das ausdrucksvolle Gesicht eines Asketen oder passionierten Geschäftsmanns.«[ 1 ]
    Eine andere Beschreibung der Räumlichkeiten, nicht ohne Pikanterie, wenn man den Autor kennt, den rechtsextremenSchriftsteller Maurice Sachs – der sich später als Jude, Homosexueller und Kollaborateur definierte, bevor ihn die Deutschen, denen er gedient hatte, durch Genickschuss umbrachten: »Sein Auftreten als Grandseigneur war Teil seines eigentümlichen Genies (…) Sie treten bei Rosenberg ein wie in einen Tempel: Die tiefen Ledersessel, die mit roter Seide bespannten Wände machen Sie glauben, Sie befänden sich in einem gut geführten Museum. (…) Er verstand es, den von ihm geförderten Malern außergewöhnlichen Glanz zu verleihen. Er besaß eine tiefere Kenntnis der Malerei als seine Kollegen und einen sehr sicheren Geschmack.«[ 2 ]
    Paul, der die väterliche Galerie 1905 mit seinem älteren Bruder Léonce zusammen übernommen hatte, trennte sich 1910 von ihm und zog allein in die Rue La Boétie 21. Das Erdgeschoss war seiner beruflichen Tätigkeit vorbehalten, in den oberen Stockwerken befanden sich seine eigene Wohnung und die seiner Mutter. Im Zwischengeschoss hingen die älteren Maler, die zeitgenössischen im Erdgeschoss. Besucher, die bei den Bildern von Braque oder Léger zögerten, lud er ein, ein paar Stufen hinaufzusteigen, und zeigte ihnen die weicheren Linien der Gemälde von Degas, Renoir oder Rodin. Er hoffte sie zu verkaufen, um mit dem Erlös seine geliebten Unbekannten zu fördern, etwa Picasso oder Marie Laurencin, die Muse von Apollinaire und die erste Malerin, mit der Paul einen Exklusivvertrag abschloss (von 1913 bis 1940). 1918 kam Picasso hinzu, 1923 Braque, 1926 Léger und 1936 Matisse.
    1912, kaum installiert, verschickte Paul wie jeder Händlerzur Geschäftseröffnung ein Rundschreiben mit seinem Programm: »Demnächst eröffne ich in der Rue La Boétie 21 eine neue Galerie moderner Kunst, in der ich periodische Ausstellungen der Meister des 19. Jahrhunderts und zeitgenössischer Maler zu veranstalten gedenke. Da ich es für einen Fehler heutiger Ausstellungen halte, das Werk eines Künstlers isoliert zu zeigen, beabsichtige ich, in meine Ausstellungen alle dekorativen Künste einzubeziehen (…) Ich werde meine Räume nicht nur unentgeltlich zugänglich machen, sondern erhebe im Fall eines Verkaufs auch keine Provision. Zu jeder Ausstellung werde ich auf eigene Kosten einen Katalog der Gemälde,

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