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Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Titel: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sinclair
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Skulpturen, Möbel etc. herausgeben (…)«[ 3 ]
    Pierre Nahon[ 4 ] hebt ausdrücklich Paul Rosenbergs Absicht hervor, eine Verbindung zwischen den neuen Strömungen in der Malerei des 20. Jahrhunderts und der älteren französischen Malerei herzustellen. Ende der Dreißigerjahre, notiert er, befanden sich an den Wänden und im Lager der Galerie Rosenberg Bilder von Géricault, Ingres, Delacroix, Courbet, Cézanne, Manet, Degas, Monet, Renoir, Gauguin, Lautrec, Picasso, Braque, Léger, dem Zöllner Rousseau, Bonnard, Marie Laurencin, Modigliani und Matisse. »Die Galerie«, schreibt Nahon, »war für alle ein Muss, die die Entwicklung und die Arbeit der Neuerer unter den Malern verfolgen wollten.«
    Für mich ist sie der Ausgangspunkt meines Versuchs, diesen Großvater, den ich kaum gekannt habe, zu verstehen und die so reich erfüllte Zeit der Dreißigerjahre – und die düstere der Vierziger – heraufzubeschwören.
    Mein Großvater hat das Haus nach dem Zweiten Weltkrieg erst spät zurückerhalten. Der Staat hatte es im August 1944 den Kollaborateuren abgenommen und der Firma Saint-Gobain als Firmensitz überlassen, bevor es meinem Großvater schließlich zurückerstattet wurde. Inzwischen hatte er vom düsteren Schicksal des Gebäudes erfahren, auf das ich gleich zurückkommen werde, und verkaufte es im Januar 1953, denn er wollte nie mehr in einem Haus leben, in dessen Keller sich noch die Publikationen aus den schwarzen Jahren stapelten und in dem noch immer die alten Gespenster herumspukten!
    Danach war das Haus lange Sitz der berühmt-berüchtigten
Renseignements généraux,
abgekürzt RG.[ 5 ] Nach den Geheimnissen der Kollaborateure die Geheimnisse der Republik, nach den verfemten Werken verhängnisvolle Papiere – ein seltsames Schicksal.
      1
Cahiers d’Art Nr.
10, 1927
      2 Zitiert nach Pierre Nahon,
Les Marchands d’art en France, XIX et XX siècles,
Paris 1998.
      3 Familienarchiv
      4 Pierre Nahon, op. cit.
      5 Polizeieinheit, der oft vorgeworfen wurde, eine politische (Geheim-)Polizei zu sein. (A.d.Ü.)

DIE NUMMER 21 UNTER DEN DEUTSCHEN
    D IE RUE LA BOÉTIE war voller verfemter beziehungsweise
entarteter
Werke, wie das seit Beginn des Nationalsozialismus hieß.
Entartete Kunst war
für die Nazis alles, was nicht mit ihrer traditionellen Kunstauffassung übereinstimmte.
    »Deutsches Volk! Seht euch das an! Urteilt selbst!«, so eröffnete der Leiter der Reichskammer für Bildende Künste, Adolf Ziegler, am 19. Juli 1937 die Ausstellung »Entartete Kunst« in den Münchner Hofgarten-Arkaden.
    Die hastig zusammengestellte Ausstellung von 650 in 43 deutschen Museen konfiszierten Werken sollte die moderne Kunst zum Gespött machen. Bewusst wurden Zeichnungen und Fotos von geistig Behinderten zwischen die Bilder gehängt. Bis zu ihrer Schließung am 30. November 1937 wurde sie von zwei Millionen Menschen besucht. Propagandaminister Joseph Goebbels hatte die Ausstellung als Gegenpol zur »Ersten Großen Deutschen Kunstausstellung« geplant, die am Tag zuvor im Münchner Haus der Deutschen Kunst eröffnet wurde und Bäuerinnen, Soldaten, die Mütter und Landschaften Großdeutschlands zelebrierte. Man müsse zwischen der »Kunst jener Tage und der Kunst dieser Tage«[ 1 ] unterscheiden, sagte er und befahl, die deutschen Museen von allen nach 1910angekauften Werken zu säubern. In der Folge wurden alle als »entartet« geltenden Werke in deutschen Museen beschlagnahmt und entweder zerstört oder zugunsten der Nazis ins Ausland verkauft, zur Freude von Liebhabern moderner Kunst auf der ganzen Welt – van Gogh war der höchstdotierte
»entartete«
Maler!
    Die Ablehnung neuer Entwicklungen in der Kunst hatte in Deutschland durchaus Tradition. Wie Lynn Nicholas ausführt, hatte Kaiser Wilhelm II. 1909 den Direktor der Berliner Nationalgalerie entlassen, weil er Impressionisten angekauft hatte.[ 2 ] Schon im Jahr 1893 hatte das Werk des jüdischen Kunstkritikers Max Nordau mit dem Titel
Entartung
Furore gemacht, in dem er alle moderne Kunst, besonders aber die Impressionisten, für »pathologisch« erklärte. In den Zwanzigerjahren arbeiteten dann die Nationalsozialisten ihr Konzept der entarteten Kunst aus – auf der Grundlage von Nordaus Thesen, welch wunderbares Alibi![ 3 ] Wie jedes totalitäre Regime, das den »neuen Menschen« erschaffen will, wollten sie die Kunst für Propagandazwecke nutzen.
    Nur über den Expressionismus kam es zwischen den Nazi-Würdenträgern zum Streit, besonders

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