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Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition)

Titel: Lieber Picasso, wo bleiben meine Harlekine?: Mein Großvater, der Kunsthändler Paul Rosenberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sinclair
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zwischen Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg, Hitlers Chefideologen und späteren Reichsminister für die besetzten Ostgebiete und in dieser Funktion für die dortigen Massaker verantwortlich. Für Goebbels war der Expressionismus durchaus eine nationalsozialistisch-revolutionäre, »nordische« Kunst, während der Mannmit dem ärgerlicherweise gleichen Namen wie mein Großvater jede verzerrende Darstellung des Körpers als entartet betrachtete.
    Nach Hitlers Machtübernahme 1933 entschieden sich viele Künstler für das Exil. Nicht nur, weil sie ihre Werke nicht mehr ausstellen und verkaufen konnten; man machte ihnen sogar die Arbeit unmöglich, indem man ihnen verbot, Pinsel, Leinwände und Farben zu kaufen. »Terpentingeruch oder nasse Pinsel in irgendeinem Gefäß konnten bei einem überraschenden Besuch der Gestapo zur Verhaftung führen«, schreibt Lynn Nicholas.
    Ab 1936 etwa wurde Karl Haberstock zum Kunsthändler des Führers und stellte eine Sammlung alter Meister für ihn zusammen, wobei er in Frankreich besonders von Lucien Rebatet[ 4 ] unterstützt wurde, der schon vor der deutschen Besatzung forderte, »unsere Kunst zu arisieren«.
    Am 30. Juni 1939, ein paar Wochen vor dem Krieg, organisierten die Deutschen eine große Versteigerung in Luzern, bei der 125 Gemälde und Skulpturen aus den größten deutschen Museen verkauft wurden. Viele Kunstsammler und -händler konnten der günstigen Gelegenheit nicht widerstehen, für wenig Geld – die Deutschen wollten um jeden Preis verkaufen – Bilder von unschätzbarem Wert zu erwerben. Zwar hatte mein Großvater potenzielle Käufer gewarnt, dass alle Devisen, die das Reich dadurch einnahm, »uns in Gestalt von Bomben auf den Kopf fallen werden«; auch Alfred Barr,der Gründungsdirektor des Museum of Modern Art, hatte versucht, Museen von Ankäufen abzuhalten. Vergeblich, wie Lynn Nicholas schreibt: »Diese Warnungen wurden auch deshalb nicht ernst genommen, weil die Einstellung zur modernen Kunst generell lange sehr geteilt war.«
    In
L’Art de la défaite
[ 5 ] berichtet Laurence Bertrand Dorléac von dem Kunstraub im besetzten Frankreich, der gleich nach dem Waffenstillstand begann.
    Am 30. Juni 1940 gab Hitler den Befehl, alle Kunstwerke, die Juden gehörten, »in Sicherheit zu bringen« – hinter dieser Formel versteckte sich schlichter Diebstahl. Daraufhin gründete Alfred Rosenberg den ERR, Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, der den Raub organisierte und allen von den Besatzungstruppen geschätzten und beschlagnahmten Werken den Stempel der Niedertracht aufdrückte.
    Im Juli 1940 forderte er das militärische Hauptquartier zu einer Razzia bei den großen Pariser Kunsthändlern und zur Beschlagnahmung ihrer Sammlungen auf. Damit setzte sich der Rosenberg-Göring-Clan gegen Außenminister Ribbentrop und den deutschen Botschafter in Paris, Otto Abetz, durch. Man weiß, wie großzügig sich Göring bediente.[ 6 ]
    Von Oktober 1940 an wurde aus dem eher zufälligen Raub organisierter Diebstahl: »Die Kunstgegenstände wurden zuerst im Musée du Jeu de Paume und im Louvre gesammelt, dann fotografiert, begutachtet, aufgelistet und nach Deutschland verfrachtet.«[ 7 ]
    Unter diesen Werken befanden sich natürlich die großen Klassiker der französischen Malerei in den Pariser Galerien, aber auch moderne Kunst, »die zum Tausch gegen Werke verwendet wurde, die der nationalsozialistischen Ästhetik eher entsprachen«.
    Rose Valland, die viele französische Kunstwerke gerettet hat, erzählt in ihrem zum Klassiker gewordenen Buch
Le Front de l’art,
[ 8 ] wie sie am 27. Mai 1943 – den Historikern zufolge war es der 23. Juli – eine Rauchsäule von der Terrasse der Tuilerien aufsteigen sah: Dort wurden als »entartet« bezeichnete Kunstwerke von Masson, Miró, Klee, Max Ernst, Léger und Picasso verbrannt: »Die Männer des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg fielen über die Kunstwerke her, schlitzten sie auf, zerstachen sie und schleppten sie auf den Scheiterhaufen, nach dem Vorbild der riesigen Autodafés der deutschen Museen, die alle für ›entartet‹ erklärten Kunstwerke zerstören sollten.«
    Rose Valland war eine der beiden Personen, die verhinderten, dass die Werke aus Museen und Privatsammlungen endgültig in Deutschland verschwanden. Die andere war Jacques Jaujard, damals Direktor der Nationalen Museen und nach dem Krieg Direktor des Musée des Beaux-Arts. Er schlug den Deutschen vor, alle Werke registrieren zu lassen und Rose Valland damit zu

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