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Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Titel: Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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denn sie war zur Schule gefahren und hatte meinen Aufenthaltsort ermittelt. Sie drückte auf die Hupe, damit ich herauskam, und erwiderte nicht einmal das freundliche Winken der Großmutter. Meine Mutter fuhr nicht oft Auto, und wenn sie es tat, herrschte ein nervöser Ernst. Auf dem Heimweg bekam ich gesagt, dass ich dieses Haus nie wieder betreten durfte. (Dies erwies sich als unproblematisch, denn ein paar Tage später kam Diane nicht mehr zur Schule – man hatte sie woanders untergebracht.) Ich erzählte meiner Mutter, dass Dianes Mutter tot war, und sie sagte, ja, das wisse sie. Ich erzählte ihr von dem Highland-Fling, und sie sagte, dass ich den Tanz irgendwann richtig lernen könne, aber nicht in diesem Haus.
    Ich fand damals nicht heraus – und ich weiß nicht, wann ich es herausfand –, dass Dianes Mutter Prostituierte gewesen und an einer Krankheit gestorben war, die sich Prostituierte holen konnten. Sie wollte zu Hause beerdigt werden, und der Pfarrer unserer Kirche hielt den Trauergottesdienst ab. Es gab einen Streit über das Bibelzitat, das er gewählt hatte. Manche fanden, er hätte es weglassen sollen, aber meine Mutter war des Glaubens, er hatte das Richtige getan.
    Denn der Sünde Sold ist der Tod.
    Meine Mutter erzählte mir das lange Zeit später, oder was mir wie eine lange Zeit später vorkam, als ich in dem Stadium war, vieles von dem, was sie sagte, heftig abzulehnen, besonders, wenn sie es in diesem Tonfall schaudernder, sogar erregter Überzeugung vorbrachte.
    Ich begegnete hin und wieder der Großmutter. Sie hatte stets ein kleines Lächeln für mich. Sie sagte, es sei wunderbar, dass ich immer noch zur Schule ging, und sie berichtete von Diane, die auch eine beachtliche Zeit lang mit der Schule weitergemacht hatte, wo immer sie gerade war – wenn auch nicht so lange wie ich. Laut ihrer Großmutter fand sie dann eine Anstellung in einem Restaurant in Toronto, wo sie bei der Arbeit ein Kleid mit Pailletten trug. Ich war zu dem Zeitpunkt alt und gemein genug, um zu vermuten, dass es sich wahrscheinlich um ein Etablissement handelte, wo man das Paillettenkleid auch auszog.
    Dianes Großmutter war nicht die Einzige, die es ungewöhnlich fand, dass ich noch zur Schule ging. Entlang meiner Straße gab es eine Anzahl von Häusern, die weiter auseinanderstanden, als sie es in der Stadt getan hätten, aber trotzdem kein nennenswertes Grundstück um sich herum hatten. Eines davon, auf einem kleinen Hügel, gehörte Waitey Streets, einem einarmigen Veteran aus dem Ersten Weltkrieg. Er hielt ein paar Schafe und hatte eine Frau, die ich in all den Jahren nur ein einziges Mal zu Gesicht bekam, als sie an der Pumpe den Tränkeimer füllte. Waitey machte gerne Witze über meine lange Schulzeit, wie schade es sei, dass ich nie meine Prüfungen bestehen und damit fertig werden konnte. Ich ging darauf ein und tat so, als stimmte das. Ich wusste nicht genau, was er wirklich glaubte. Genauer kannte man die Leute entlang der Straße nicht, und sie einen auch nicht. Man sagte Hallo, und sie sagten Hallo und etwas über das Wetter, und wenn sie ein Auto hatten und man zu Fuß ging, nahmen sie einen ein Stück mit. Es war nicht wie auf dem richtigen Land, wo man für gewöhnlich genau wusste, wie es in den Häusern der anderen aussah, und wo jeder sein Geld auf ganz ähnliche Weise verdiente.
    Ich brauchte nicht länger, um die Highschool abzuschließen, als alle anderen, die die vollen fünf Schuljahre durchliefen. Was nur wenige Schüler taten. Niemand erwartete zu jener Zeit, dass alle Schüler und Schülerinnen, die in die neunte Klasse der Highschool gingen, am Ende der dreizehnten Klasse vollgestopft mit Wissen und korrekter Grammatik vollzählig herauskommen würden. Jungen besorgten sich Arbeit für ein paar Stunden in der Woche, und daraus wurde nach und nach Ganztagsarbeit. Mädchen heirateten und bekamen Kinder, in dieser Reihenfolge oder andersherum. In der dreizehnten Klasse, mit nur noch einem Viertel der anfänglichen Schüler, herrschte ein Gefühl von Gelehrsamkeit, von ernsthafter Leistung, oder vielleicht auch nur eine besondere Art von gelassener Praxisferne, ohne einen Gedanken daran, was danach kam.
    Ich fühlte mich, als trennte mich ein ganzes Leben von denen, die ich in der neunten Klasse gekannt hatte und erst recht von denen in jener ersten Schule.
     
     
    In einer Ecke unseres Esszimmers stand etwas, das mich immer ein bisschen überraschte, wenn ich den Electrolux herausholte,

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