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Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Titel: Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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sind Sie aus dem Schneider. Ich habe Sie doch nicht entmutigt?«
    Ich hatte den Kopf abgewandt.
    »Nein.«
    »Gehen Sie den Flur hinunter zum Büro der Oberin, und die wird Ihnen alles sagen, was Sie wissen müssen. Sie werden Ihre Mahlzeiten zusammen mit den Krankenschwestern einnehmen. Sie wird Ihnen sagen, wo Sie schlafen. Sehen Sie bloß zu, dass Sie sich keine Erkältung holen. Ich nehme an, Sie haben noch keine Erfahrungen mit Tuberkulose?«
    »Na ja, ich habe Thomas Mann …«
    »Ich weiß. Ich weiß. Sie haben den
Zauberberg
gelesen.« Wieder eine Falle, er saß wieder auf seinem Thron. »Seitdem sind wir ein Stückchen weiter, hoffe ich. Da, ich habe Ihnen ein bisschen was über die Kinder hier aufgeschrieben und ein paar Gedanken, was Sie vielleicht mit ihnen tun könnten. Manchmal drücke ich mich lieber schriftlich aus. Die Oberin wird Sie ausführlich informieren.«
     
     
    Ich war noch keine Woche da, bevor mir alle Ereignisse des ersten Tages einmalig und unwahrscheinlich vorkamen. Die Küche und deren Kleiderablage, wo das Küchenpersonal die Überkleidung aufbewahrte und die Diebstähle versteckte, waren Räume, die ich nicht wiedersah und wahrscheinlich auch nie wiedersehen würde. Das Sprechzimmer des Doktors war ähnliches Sperrgebiet, der richtige Ort für alle Fragen, Beschwerden und Terminpläne war das Sprechzimmer der Oberin. Sie selbst war klein und füllig, mit rosigem Gesicht, randloser Brille und schwerem Atem. Was immer man von ihr erbat, schien sie in Erstaunen zu versetzen und Schwierigkeiten zu bereiten, wurde aber im Endeffekt geregelt oder zur Verfügung gestellt. Manchmal aß sie im Essraum der Krankenschwestern, wo sie eine spezielle Quarkspeise erhielt und Beklommenheit auslöste. Meistens blieb sie in ihren eigenen Räumlichkeiten.
    Außer der Oberin gab es drei staatlich geprüfte Krankenschwestern, von denen jede mindestens dreißig Jahre älter war als ich. Sie waren aus dem Ruhestand zurückgekehrt, um während des Krieges ihre Pflicht zu tun. Dann gab es noch die Schwesternhelferinnen, die in meinem Alter oder sogar jünger waren, meistens verheiratet oder verlobt, oder sie arbeiteten an ihrer Verlobung, meistens mit Männern in den Streitkräften. Sie schwatzten ununterbrochen, wenn die Oberin und die Schwestern nicht da waren. Für mich interessierten sie sich überhaupt nicht. Sie wollten nicht wissen, wie es in Toronto war, obwohl einige von ihnen welche kannten, die auf ihrer Hochzeitsreise dorthin gefahren waren, und es war ihnen egal, wie ich mit meinem Unterricht vorankam oder was ich vor meiner Arbeit im San gemacht hatte. Nicht, dass sie unhöflich waren – sie reichten mir die Butter (sie wurde Butter genannt, aber es war eigentlich orangegelb gestreifte Margarine, in der Küche eingefärbt, wie es damals nicht anders zugelassen war), und sie warnten mich vor dem Hackfleischauflauf, in dem, wie sie sagten, Murmeltiere drin waren. Nur, dass alles, was an Orten geschah, die sie nicht kannten, oder mit Menschen, die sie nicht kannten, oder zu einer Zeit, die sie nicht kannten, nicht in Betracht kam. Es war ihnen im Weg und ging ihnen auf die Nerven. Sie stellten die Nachrichten im Radio ab, wann immer sie konnten, und versuchten, einen Musiksender reinzubekommen.
    »Tanz mit ’ner Puppe mit ’nem Loch im Strumpf …«
    Sowohl die Schwestern als auch die Helferinnen mochten den CBC nicht, während ich in dem Glauben aufgewachsen war, dass dieser Sender Kultur in die Provinz brachte. Trotzdem hatten sie Ehrfurcht vor Dr. Fox, auch, weil er so viele Bücher gelesen hatte.
    Sie sagten außerdem, dass es niemanden gab, der einen so zur Minna machen konnte wie er, wenn ihm danach war.
    Ich stieg nicht dahinter, ob es für ihr Gefühl einen Zusammenhang gab zwischen dem Lesen vieler Bücher und dem Zur-Minna-Machen.
     
    Übliche pädagogische Grundsätze hier fehl am Platz. Einige von diesen Kindern werden in die Welt oder den Alltag zurückkehren, andere nicht. Besser nicht viel Stress. Also Klassenarbeiten, Auswendiglernen, Noten geben, alles Unsinn.
    Lassen Sie die ganze Zensurengeschichte sein. Die, für die das eine Rolle spielt, können es später nachholen oder auch so weiterkommen. Eigentlich nur einfache Fähigkeiten, Grundwissen usw. für das Hinausgehen in die Welt. Was ist mit sogenannten Hochbegabten? Scheußlicher Ausdruck. Wenn sie auf fragwürdige akademische Weise gescheit sind, können sie es leicht nachholen.
    Vergessen Sie die Flüsse

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