Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)
Südamerikas, ebenso die Magna Charta.
Malen, Musik, Geschichten, vor allem.
Spiele gehen, aber vermeiden Sie zu große Aufregung oder zu viel Wetteifer.
Herausforderung: der Mittelweg zwischen Stress und Langeweile. Langeweile Fluch des Sanatoriums.
Wenn die Oberin nicht besorgen kann, was Sie brauchen, hat der Hausmeister es manchmal irgendwo gebunkert.
Bon Voyage.
Die Zahl der Kinder, die erschienen, änderte sich ständig. Fünfzehn bis hinunter zu einem halben Dutzend. Nur vormittags, von neun Uhr bis zur Mittagszeit, Ruhepausen eingeschlossen. Kinder blieben fern, wenn ihre Temperatur gestiegen war oder wenn sie zu Untersuchungen mussten. Wenn sie da waren, waren sie still und folgsam, aber nicht sonderlich interessiert. Sie hatten von Anfang an mitbekommen, dass dies eine Schule war, die nur so tat als ob, die sie frei ließ von allen Anforderungen, etwas zu lernen, wie auch frei von Stundenplänen und Hausaufgaben. Diese Freiheit machte sie nicht übermütig, langweilte sie nicht so, dass sie aufsässig wurden, nur fügsam und verträumt. Sie sangen leise Kanons. Sie spielten Schiffe versenken. Ein Schatten von Hoffnungslosigkeit lag auf dem improvisierten Klassenzimmer.
Ich beschloss, den Doktor beim Wort zu nehmen. Oder bei einigen seiner Worte wie denen über Langeweile als dem Feind.
In der Abstellkammer des Hausmeisters hatte ich einen Globus gesehen. Ich ließ ihn hervorholen. Ich fing mit einfacher Geographie an. Die Ozeane, die Kontinente, die Klimazonen. Warum nicht die Winde und die Meeresströmungen? Die Länder und die Städte? Der nördliche und der südliche Wendekreis? Warum nicht doch die Flüsse Südamerikas?
Einige Kinder hatten solche Dinge schon einmal gelernt, aber fast völlig vergessen. Die Welt hinter dem See und dem Wald war versunken. Ich fand, es munterte sie auf, als freundeten sie sich wieder mit etwas an, was sie einmal gewusst hatten. Natürlich überschüttete ich sie nicht mit allem auf einmal. Und ich musste es langsam angehen lassen bei denen, die solche Dinge nie in ihrem Leben gelernt hatten, weil sie zu früh erkrankt waren.
Aber das ging gut. Es konnte ein Spiel sein. Ich teilte sie in Mannschaften auf, richtete den Zeigestock hierhin und dorthin, damit sie mir Antworten zuriefen. Ich achtete darauf, dass die Aufregung nicht zu lange anhielt. Aber eines Tages kam der Doktor hereinspaziert, direkt aus der Vormittagssprechstunde, und erwischte mich kalt. Ich konnte nicht alles sofort abbrechen, aber ich versuchte, den Wetteifer einzudämmen. Er setzte sich hin, sah etwas müde und in sich gekehrt aus. Er erhob keine Einwände. Bald begann er, bei dem Spiel mitzumachen, rief völlig lächerliche Antworten, Namen, die nicht nur falsch waren, sondern die es gar nicht gab. Dann ließ er langsam seine Stimme ersterben. Leiser, immer leiser, anfangs zu einem Murmeln, dann zu einem Flüstern, dann, bis nichts mehr zu hören war. Gar nichts. So, auf diese absurde Weise, brachte er den Raum unter seine Kontrolle. Die ganze Klasse formte die Worte nur noch unhörbar mit den Lippen, um es ihm gleichzutun. Aller Augen hingen an seinem Mund.
Plötzlich ließ er ein leises Knurren vernehmen, das alle zum Lachen brachte.
»Warum zum Teufel schaut ihr mich alle an? Hat euch das eure Lehrerin beigebracht? Leute anzustarren, die niemandem etwas tun?«
Die meisten lachten, und einige konnten auch danach nicht den Blick von ihm lassen. Sie waren gierig auf weitere Mätzchen.
»Los, haut ab und seid woanders ungezogen.«
Er entschuldigte sich bei mir, dass er den Unterricht unterbrochen hatte. Ich fing an, ihm meine Gründe dafür zu nennen, die Stunden mehr wie richtigen Schulunterricht zu gestalten.
»Obwohl ich mit Ihnen in Hinsicht auf Stress einer Meinung bin …«, sagte ich ernsthaft. »Ich stimme ganz überein mit dem, was Sie in Ihren Anweisungen geschrieben haben. Aber ich dachte …«
»Welche Anweisungen? Ach, das waren nur so Gedankensplitter, die mir durch den Kopf gegangen sind. Es war überhaupt nicht meine Absicht, dass die in Stein gemeißelt werden.«
»Ich meine, solange sie nicht zu krank sind …«
»Bestimmt haben Sie recht, wahrscheinlich spielt es keine Rolle.«
»Sie wirkten auf mich sonst so teilnahmslos.«
»Sie brauchen keinen Elefanten daraus zu machen«, sagte er und schritt davon.
Drehte sich dann um zu einer angedeuteten Entschuldigung.
»Wir können bei anderer Gelegenheit darüber reden.«
Diese Gelegenheit, dachte ich, würde
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