LIEBES LEBEN
geheiratet hat. Seine Frau ist ein Engel, eine kleine Blonde. Ich habe die Zeitung für dich aufgehoben.«
»Danke, Mama.« Genau das hat mir gefehlt, um diesen Tag zu einem richtig gelungenen Geburtstag zu machen.
Mama steht auf, als könne sie es gar nicht erwarten, mir das Bild von der Hochzeit zu zeigen, die eigentlich meine hätte sein sollen. Ich lächle verbissen, als sie mir die Zeitung gibt und dabei auf meinen Exfreund und seinen »Engel« von Braut zeigt. Sie ist wirklich ein Engel, und das macht mich richtig wahnsinnig, denn sie ist gute zehn Jahre jünger als Eddie. Aber es bereitet mir eine gewisse Genugtuung zu sehen, dass Eddie fast alle Haare verloren hat.
»Sie sind ein süßes Paar«, sage ich und schiebe die Zeitung wieder zu meiner Mutter.
»Hast du ihr Kleid gesehen?« Damit schiebt sie mir die Zeitung wieder hin. »Es sieht sehr reich verziert aus.«
Ich finde, sie sieht eher aus wie Barbie bei »Amerika sucht den Superstar«, behalte meine Meinung aber für mich. Muss ich daheim wirklich auch Christ sein? Das ist der schwierigste Test überhaupt. Ich versuche es auf Daves Art und grunze eine Antwort, aber es hat nicht die gewünschte Wirkung.
»Ashley? Hast du ihr Kleid gesehen?«, fragt meine Mutter noch einmal.
»Ja, Mama. Es ist wunderschön. Sie ist ein Prachtstück.« Noch einmal ein verbissenes Lächeln. »Eddie hat sicher das reinste Glück mit so einem hübschen Kleid an seiner Seite.«
»Ashley, was hat Eddie dir eigentlich getan?«
Ähm, mich sitzen lassen, weil ich nicht bereit war, nach einem Saufgelage auf einer Fete in einer der Burschenschaften an der Uni mit ihm ins Bett zu gehen. »Nichts, Mama.«
»Manchmal habe ich den Eindruck, dass du mit deiner Religiosität andere sehr schnell verurteilst. Wir haben dir nicht beigebracht, dass man sich nicht mit anderen freut.« Mama tätschelt meine Hand. »Das gehört sich nicht. Ich dachte, Gott möchte, dass wir uns gegenseitig lieben und uns über das Glück des anderen freuen.«
Mama, dein Gottesbild gleicht eher Pu dem Bär als dem biblischen Gottesbild. »Die Liebe freut sich an der Wahrheit«, entgegne ich. Die Wahrheit ist, dass Eddie sich während seiner ganzen Studienzeit von einem Bett zum anderen gehangelt hat und mich nur als seine »intellektuelle« Freundin benutzt hat. Ich war die Vorzeige-Freundin für Gelegenheiten, bei denen man etwas hermachen musste.
Ich schaue auf und merke, dass Dave mich beobachtet und dann schuldbewusst auf seinen Teller schaut. Er schiebt sich den Rest seiner Kartoffeln und des Bratens in den Mund, schiebt seinen Stuhl zurück, und während er noch kaut, steckt er die Arme in seine Lederjacke - sein einzig anständiges Kleidungsstück.
»Gehst du weg, Dave?«, fragt Mama mit hoher Stimme.
»Ja, ich habe noch was vor«, sagt er und streckt den Hals vor, um den riesigen Bissen in seinem Mund besser schlucken zu können. Sein Blick wandert kurz zu mir. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Ash.«
»Aber Dave, du hast ja noch gar keinen Kuchen gegessen!«, ruft Mama ihm nach.
»Später. Ich hole mir später ein Stück.« Und schon ist er zur Tür hinaus und lässt mich verstört zurück, weil er sich 1. einen Augenblick lang anständig benommen hat und 2. an meinem Geburtstag weg darf, während ich hier festsitze.
Mein Vater grunzt und rülpst dann. Weil er dadurch offensichtlich wieder mehr Platz im Bauch hat, isst er seinen Braten auf und schlurft wieder zu seinem ewigen Footballspiel zurück, ohne sich noch einmal an mich zu wenden oder meiner Mutter für das Essen zu danken. Ich sehe, wie das Glänzen in den Augen meiner Mutter erlischt. Seit vierunddreißig Jahren hofft sie jeden Abend darauf, dass sich irgendetwas an meinem Vater verändert. Aber das tut es nicht. Ich wünsche mir so, ich könnte ihr erzählen, was Brea mir über Erwartungen gesagt hat und dass man sie nicht haben darf, wenn man glücklich sein will, aber ich kann nicht. Jedes Mal wenn ich es versuche, muss ich weinen, und Gefühle sind im Hause Stockingdale nicht gern gesehen.
Ich helfe meiner Mutter beim Tisch abräumen, und dann setzen wir uns zusammen hin und essen Kuchen. Ich esse hastig. Ich will es einfach nur hinter mich bringen. »Ich muss nach Hause, Mama. Morgen ist Montag.«
»Schön, dass du zum Abendessen kommen konntest, Ashley. Du siehst immer noch aus wie sechsundzwanzig.« Dabei klopft sie mir auf die Schulter.
Heute ist das nur ein kleiner Trost für mich, denn ich fühle mich wie
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