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Liebesbisse

Liebesbisse

Titel: Liebesbisse
Autoren: Claire Castillon
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gleich meine Tochter aufessen. Warum sind Sie denn so verlegen? Sehen Sie mich endlich an, anstatt den Blick abzuwenden.
    Er ist ausgerastet. Er hat sich entschuldigt und mich gebeten, hinaufzugehen. Ich habe gebrüllt, ich sagte, ich würde nur hinaufgehen, wenn er mich unter die Erde brächte. Ich will sterben, verstehst du? Er sagte: Es reicht jetzt.
    Als ich mich wehrte, habe ich mir die Finger gebrochen.
     
    Ich scharre im Gras, das ist gut für meine Waden, ich bereite mich auf den Sommer vor, auf den Badeanzug und auf den Strand – wenn er mich überhaupt mitnimmt, wenn er mich nicht in dieses Edelsanatorium für Irre bringt, wo ich schon die letzten drei Sommer verbracht habe. Wenn er mich wieder dort unterbringt, werde ich den Garten kaputt machen, ich grabe alles um, was ich will, und scheiße genau in die Mitte, wie die Männer auf meine Tochter. Sie hatte schwarze Schenkel. Ha, ich werde auf die Treppe machen, für die Gäste, die mit leicht gerümpfter Nase einen Bogen darum herum machen werden. Was für eine Unverschämtheit, mich vor allen Leuten so zu behandeln und mir den Maulkorb anzulegen! Er wird verrückt.
    Ich drücke meinen Mund ans Fenster, sie sitzen am Tisch, ich schnüffle an der Scheibe. Er sieht mich, ich verschwinde, drehe Runden im Gras und versuche, nach meinem Hintern zu schnappen. Aber mit dem Maulkorb kann ich nicht beißen. Er ruft meinen Namen. Ich habe seine List durchschaut. Er will, dass ich angelaufen komme. Und ich will, dass er mich liebt, noch immer liebt wie zuvor, ich will, dass er mich doppelt liebt, und wenn er das nicht kann, soll er ohne mich weiterleben. Ich pinkle auf seine Büsche, zertrete seine Blumen, ich höre nicht auf seine Vorhaltungen, und wenn er in der Tür auftaucht und schreit, wenn er in das hineintritt, was ich hinterlassen habe, schütte ich ihm Erde auf die Beine, als wollte ich ihn beerdigen.
     
    Doch da kommt er, er bittet den Wärter, den Hund von der Leine zu lassen. Das Tier stürzt sich auf mich und will mir an die Gurgel. Mein Mann schließt die Tür und lässt die Drehorgel spielen, man soll nicht hören, dass seine Frau trotz des Maulkorbs schreit, weil er beschlossen hat, den Hund auf sie zu hetzen. Um das Unglück zu meistern, kann man singen, ja. Aber um den Schmerz zu besiegen, muss man ihn töten.
    Er schlägt die Hand vor die Augen. Gleich wird er weinen. Es wird ein Unfall sein. Die Musik ist für mich, es ist sein Abschiedsgeschenk; seit unser Kind im Himmel ist, ist sie nicht mehr erklungen. Ich sage Danke. Das kann der Hund gern auf sich beziehen.

Familiengefängnis
    Zur jährlichen Betriebsfeier will ich mein rotes Kleid anziehen. Bei solchen Festen meide ich Schwarz; das ist zu uniform. Der Friseur hat mir einen Dutt im Nacken gebunden, aber ein paar Locken heraushängen lassen, damit es ganz natürlich aussieht. Meinem Mann fällt jede Einzelheit auf. Diesen Sommer habe ich einen Termin zum Färben verstreichen lassen, weil ich fand, wegen des Salzwassers lohne sich diese Ausgabe nicht. Aber als wir dann in der Sonne über den Strand spaziert sind, hat mich mein Mann gebeten, doch bitte wieder dafür zu sorgen, dass mein Haaransatz gefärbt sei.
    Ich habe mir Beine und Dekolleté mit einer fein parfümierten Körpermilch eingecremt. Wegen der Staus konnte mein Mann mich nicht zu Hause abholen. Ich musste mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Ich habe keinen Mantel angezogen, denn er hasst es, sich an der Garderobe anstellen zu müssen. Einige Männer haben sich auf der Straße nach mir umgedreht, einer hat mich zu einem Drink eingeladen. Ich war sehr gerührt. Mit Herzklopfen – der anderen Frauen wegen – kam ich zum Fest, doch die aufmerksamen Komplimente dieses Fremden hatten mir Sicherheit geschenkt, und ich wusste, dass ich einigermaßen gut aussah. Ich wollte meinem Mann erzählen, dass ich eine Einladung erhalten hatte, doch er legte einen Finger an die Lippen und meinte, ich solle ihm das später erzählen. Ich gebe zu, dass ich eine Nervensäge bin, oft erdrücke ich ihn mit einem Schwall unwichtiger Fragen.
     
    Er lässt mich in aller Ruhe in meiner Ecke ein Glas Champagner trinken. Er spricht mit anderen Frauen und entschuldigt sich bei mir, dass er sie mir nicht vorstellt. Er erinnert sich nicht an ihre Vornamen. Manchmal ist er zerstreut, es kann vorkommen, dass ihm dann sogar mein Name entfällt. Und seine Freunde kichern. Doch alles läuft glatt. Meine Frisur findet er gelungen und lacht, weil meine
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