Liebesbrand
sich auf Geschichte spezialisiert haben?
Ich verstehe, sagte Napp, ich soll mich umhören nach einer schönen Kundin. Vorsicht, sagte ich.
Keine Angst, deine Freundin gehört dir.
Nein, sagte ich, ich meinte, sei vorsichtig. Wenn sie davon Wind bekommt, weiß sie, daß ich dahinterstecke.
Ich bin ein sehr diskreter Strohmann, sagte Napp.
Sie stritten sich wieder, Gabriel warf seinem Freund vor, bei der Vorbereitung eines anderen Überfalls versagt zu haben, er
hätte beim Auskundschaften des Privatlebens eines Geldkuriers ausgerechnet dessen Freundin ›offensiv angesprochen‹, er, Gabriel,
hätte Napp beim Beschatten beschattet und auf diese Weise das drohende Desaster bemerkt, die Frau wäre nämlich im selben Geldtransportunternehmen
wie ihr Freund beschäftigt gewesen. Napp hielt natürlich dagegen, er verwies auf sein großes Talent, sofort zur Quelle vorzustoßen,
Gabriel aber wäre das lähmende Dogma in die Glieder gefahren, und er würde sich daher wie ein gigantisches Stalindenkmal bewegen,
nämlich überhaupt nicht. Ich blieb still und wartete ab, nach einem halbstündigen Wortgefecht versiegte ihr Interesse an Theorie
und Praxis und an der Kunst des langsamen Anpirschens an eine Geldquelle, wir tranken aus, ich bezahlte die Rechnung, draußen
tauschten wir Telefonnummern aus, Napp sagte, er werde handeln, statt Parteitagssätze zu mümmeln, und ehe Gabriel etwas erwidern
konnte, ging er eiligen Schrittes davon. Natürlich mußte mein bester Freund, da ihm kein Widerspruch drohte, über seinen herrlichen
Wahn sprechen; damals in Wien, in |304| seinen Tagen des Aufstands, hatte er nicht gewußt, was Angst wäre, Liebe Religion Revolution, diese Quellen würden Männer
seines Schlages anzapfen, auch wenn er die erste Quelle aus Mangel und die zweite aus Desinteresse unberücksichtigt lassen
müßte. Ich taumelte neben ihm her, und als wir im Foyer des Hotels ankamen, sah ich an der Wand eine eingerahmte Auszeichnung
hängen, ein höherer Angestellter wurde als Barmann des Jahres 2002 ausgewiesen, ich vergaß den sehr österreichisch klingenden
Nachnamen des Mannes und starrte auf ein kleines Werbeplakat, auf dem ein sogenannter Flirttrainer dazu aufrief, sich bei
ihm zu melden, auch Frauen waren herzlich willkommen. Gabriel redete und redete, er sprach von den guten Dingen, die mir widerfahren
würden, allein schon, weil ich ab sofort geschützt war, geschützt vor den schlechten Menschen, die mir böse Blicke zuwarfen,
um damit mein Herz zu veröden. Seltsame Worte waren das aus seinem Mund, und weil ich mir vorgenommen hatte, keine Scheu vorzuschützen,
noch mir die Ohren zu verstopfen, ergaben auch seine seltsamen Worte einen Sinn. Gabriel ließ sich im dunklen kleinen Frühstücksraum
einen Kaffee kommen, wir warteten ab, ich stieß mich am Tischbein, als ich die Beine übereinanderschlagen wollte, ich fegte
den Salzstreuer zu Boden bei dem Versuch, meine Arme abzulegen, ich spürte sie nicht mehr, ich wartete ab, denn ich hatte
ja Unterstützung bekommen, und es machte mir nichts aus, kein Gefühl zu haben in meinen Armen, Beinen, in meinem Kopf, in
meinem Herzen. Ich war ein abgenutzter Mann.
Endlich klingelte mein Mobiltelefon auf dem Tisch, Gabriel griff danach, meldete sich fast militärisch, und natürlich, es
war Napp, und natürlich, er hatte in der kurzen Zeit etwas herausbekommen. Gabriel beendete das Gespräch und sagte mir, Tyra
wäre nicht in Wien, sie |305| würde sich in Neapel aufhalten. Was, in Gottes Namen, hatte sie in Neapel zu suchen? dachte ich, erst türkische Ägäis, Hitze,
dann Neapel, Hitze, und hier, in einem europäischen Hotel, forderte uns der Rezeptionist auf, unsere Wertgegenstände im Zimmersafe
zu deponieren, weil die Putzfrauen aus südlichen Ländern stammten, und dort, hatte der Rezeptionist gesagt, lege man keinen
großen Wert auf das Privateigentum, dort gibt es so viele Insekten, die summen, daß man vom Gesumme abgelenkt wird, und dann
ist es passiert, die Börse ist entwendet, und man hatte gerade nach einer schönen Porzellanfigur auf dem Tapeziertisch gegriffen,
das ist mir wirklich passiert, ich erzähle keine Geschichten für Gutgläubige, hatte der Rezeptionist gesagt, Vorsicht ist
geboten bei den Glutäugigen.
Napp glaubt, daß sie sich eine Auszeit nimmt, sagte Gabriel.
In Neapel?
Sie kann wohl mehr aushalten, als ich dachte, sagte Gabriel.
Werde ich sie wiedersehen? sagte ich.
Sehr
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