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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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wahrscheinlich.
    Was hat Napp noch herausbekommen?
    Sie ist kurz hier gewesen, hat sich angemeldet, hat sich abgemeldet. Hat versprochen, nur fünf Tage wegzubleiben. Morgen wird
     man mit ihrer Rückkehr rechnen können.
    Morgen, flüsterte ich.
    Napp sagt, sie ist gleich aufgefallen.
    Aha, sagte ich.
    Die Männer kriegen glasige Augen bei ihrem Anblick.
    Das spornt mich erst recht an, sagte ich dumm.
    Wirklich? Du hast jede Menge Konkurrenten.
    Ich brauche nur ein klein bißchen Glück, sagte ich.
    |306| Und dann? sagte Gabriel.
    Und dann verliebt sie sich in mich, sagte ich, dann balanciert sie nicht mehr auf der Rasierklinge, und dann wird es wahr.
    Das hört sich an, als wolltest du einen Genußschein einlösen.
    Ich liebe und will geliebt werden. Mehr nicht.
    Mein armer trauriger Freund, sagte Gabriel grinsend, pass’ auf, daß es dich nicht zerquetscht.
     
    Napp steckte eine Zaunrübe und Hirsekörner in einen dicken schwarzen Herrenstrumpf, vernähte die Strumpföffnung mit Garn und
     vergrub den Sack im Garten. Wenige Tage oder wenige Wochen später – das blieb sein Geheimnis – grub er den Strumpf aus, trennte
     die Rübe von der Wurzel und fing an, dem Wurzelstrunk mit einem stumpfen Zahnstocher ein Wichtelmännchengesicht einzuritzen.
     Dann bereitete er zwischen zwei Heizungsrippen dem Wurzelmännlein ein Bett, damit es seine Feuchtigkeit ausdünstete, und endlich
     konnte er sein Alräunchen zum Verkauf anbieten. Nach dem Volksglauben entstand in der Erde unter einem Gehenkten, der noch
     am Hanf hing, die Wunderwurzel Alraune, man konnte sie für magische Teufeleien benutzen oder aber – nach einem Biß in das
     Spottgesicht – Unverwundbarkeit erlangen. Napp gab eine Zaunrübe für eine Alraune aus, er betrog, wie er betonte, nur jene,
     die um jeden Preis betrogen werden wollten. Ein Alraunkrämer wie er nahm den Zauberglauben ernst und machte sich nicht etwa
     darüber lustig, daher konnte er, ohne eine Miene zu verziehen, zustimmend nicken, wenn eine alte Frau ihm erzählte, daß sie
     eine Alraune, ein Erbstück ihrer Tante, mit ins Bett genommen hatte, sie hatte sie an sich gedrückt, bis sie von ihrem Schweiß
     durchtränkt war und der |307| Herr ihre Krankheit von ihrem Körper geschieden hatte. Beim Ausgraben der Alraune, so ging die Legende, stieß sie einen Schrei
     aus, und um nicht tot umzufallen, mußte man in die Ohren Wachs stopfen – Napp sprach den alten Frauen gegenüber von seiner
     Furcht, die bei jedem Schritt zunahm, je näher er dem Alraunmännchen kam, desto fester wurde der Griff der Hand, der Hand
     des Teufels, die sein Herz umschloß, und er war schon einmal geflohen, denn die Wurzel in der Erde hatte schon angefangen,
     schrill zu fiepsen, ohne daß er einen Spatenstich getan hatte. Und die alten Frauen tätschelten ihm das Knie, trösteten ihn
     und wünschten, daß ihm Geldmünzen durch den Schornstein ins Haus prasselten. Es gab so viele verschlossene untröstliche Mädchen,
     es gab Bestimmungen zum Schutz der Jugend in der Dunkelheit, und Napp lebte in Wien und bot Trost und Schutz an, und auch
     wenn Gabriel zu Napp nur Mao und Alraune einfiel, insgeheim war er doch verblüfft über die Umtriebe seines früheren Genossen.
     Beide hatten sich mehr als ein kleines Bäuchlein zugelegt, es war der verdammte bescheidene Wohlstand, und sie versicherten
     mir ungefragt, daß sie dabei waren, das Übergewicht abzuschaffen, sie lebten in der Zwischenzeit, in der man nicht mehr so
     dick war und noch nicht das Idealgewicht erreicht hatte – es hörte sich an, als sprächen sie über mich, ich bewegte mich von
     einem blinden Winkel zu einem dunklen Versteck, und mir schien, als gäbe es keine Stationen auf der Strecke, ich kannte nur
     einen Zustand, und ich wußte ihn nicht einmal zu beschreiben. Gabriel zeigte auf einen Rottweiler aus Ton, der neben dem Schirmständer
     stand, man hatte ihm die Pupillen herausgekratzt, der blinde Hund sah unheimlich aus, wahrscheinlich hatte dem Hotelbesitzer
     der stiere böse Blick nicht gefallen – es war die Rache der Lebenden an den Leblosen.
    |308| Was machen wir jetzt? sagte ich.
    Wir sitzen hier, bis uns der gescheite Maoist abholt, sagte Gabriel.
    Und dann?
    Er muß ein Geschäft abwickeln. Du und ich, wir werden für seine Unversehrtheit an Leib und Leben sorgen.
    Ich bin doch kein Personenschützer, rief ich aus.
    Du wirst nur dabeistehen und finster kucken.
    Das ist doch wieder irgendeine illegale Sache, sagte ich.
    Es

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