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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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ich jetzt zu … Hallo? sagte sie, Ja, sagte ich, ich bin bei dir, wenn du an der Pestsäule
     stehst, wann auch immer, ruf’ mich bitte an, und sie legte auf. Nein, sie hatte noch erklärt, daß es mich unvorsichtig machen
     würde, wenn ich ihr begegnete, und das Gespräch mit einer Warnung beendet – wer bummelt, kommt ins Verlies.
    |311| Napp winkte mit heftigen Bewegungen, ich schloß auf und wartete an der Ampel, die Geschäftsstraße war tief hineingeschnitten
     in den ersten Bezirk, ich hatte keinen Blick für die Prachtläden, vor deren Schaufenstern die Touristen Schlangen bildeten,
     ich sah auf dem kleinen Kirchenvorplatz eine Statue aufragen, es war bestimmt ein General, ein Bürgermeister, ein Heiliggesprochener,
     an den zwei Ständen rechts und links neben dem Denkmal wurden frisch gepreßte Fruchtsäfte verkauft. Napp steuerte die kleine
     abschüssige Gasse links von der Kirche an, und da erblickte ich einen Mann, dem der Nieselregen nichts anzuhaben schien, er
     keuchte nur in ein weißes Einstecktuch, faltete es vor unseren Augen zusammen und steckte es seelenruhig in seine Brusttasche,
     natürlich hatte er uns bemerkt, und natürlich trat genau in diesem Augenblick ein zweiter Mann von hinten an ihn heran, ein
     Buckliger, dachte ich, sein Oberkörper ist fast so gebogen und gekrümmt wie ein Angelhaken, genaugenommen hatte er keinen
     Buckel, ich erinnerte mich schwach an die Krankheit, die die Wirbelsäule verknöcherte und die Menschen zwang, beim ruckhaften
     Gehen immerzu auf das Pflaster zu glotzen. Dieser Mann konnte uns nicht schaden, dieser Mann mußte selbst sehen, wie er zurechtkam.
     Wir gaben einander die Hand und stellten uns vor, Napp, Gabriel und ich gaben bei diesem krummen Handel unsere richtigen Namen
     an, ich hielt es für unanständig, einem Verkrümmten gegenüber falsche Angaben zu meiner Person zu machen. Herr Zoller nickte
     Napp zu, Herr Doktor Baumann, der Gebeugte, trat näher heran, um besser hören zu können, sein Blick ruhte auf seinen Schuhspitzen.
     
    Das Alräunchen in meiner Hosentasche, setzte Napp an, ist nicht nur eine besondere Wurzel, es hat auch |312| eine besondere Geschichte, und diese Geschichte will ich Ihnen nicht vorenthalten. Sie kennen den Wildpappelwald am Hochwasserschutzdamm,
     die Donauinsel mit dem Leuchtturm an der Spitze liegt hinter Ihnen, an beiden Flußufern ist Überschwemmungsgebiet, und früher,
     ja früher gab es ein Fischerdorf, in dem die Furcht vor dem über alle Kanten schwappenden Wasser Gesetz war, und es war auch
     Gesetz, sich zu hüten vor dem Herrgott, sich zu hüten vor einem Weib, das die Jünglinge rief und in die Ferne lockte, dort
     wo man nur mit zugekniffenen Augen den Scheidestrich zwischen Himmel und Wasser erkennen konnte. Die Jünglinge aber waren
     im Fieber, und besonders ein junger Fischer mit schönem blonden Flaum an den Backen brannte und wußte nicht, wieso seine Hände
     und Füße brannten, wieso aus der linken hinteren Ecke seiner Brust ein vereister Feuerstrahl emporblühte, ja so fühlte er
     es, und er sagte es auch den Alten: heiß und kalt, als hätt’ sich ein Haken verfangen im Fleisch, was soll ich tun? Sie rieten
     ihm, Fische zu fangen und das Maul zu halten, es wäre die Sache eines Mannes nicht, großzutun bei magerem Fang, denn tatsächlich
     fing der Jüngling nichts, was nicht sowieso von allein getrieben wäre ans Land und nach kurzem Jiepsen und Jappen verendet.
     Das aber wollte ihm, dem Jüngling, nicht in den Kopf, er wurde still, und es wurde laut in ihm, es zog an seinem Fleisch,
     zog und zog, und alles was er dagegen unternahm, war ein bißchen Kraut rauchen, kurz bevor es rausging aufs Wasser, und einige
     der Alten starben, und einige der Alten, die noch am Leben waren, sagten: Dem Kerl brennen die Leisten, er will sich einwühlen
     in eine Jungfer, das ist nicht verkehrt, verkehrt ist nur die Welt, die sich verdreht, wer Kummer zuläßt, verkümmert. Dann
     aber hörte der Jüngling Fetzen eines Gesangs, und diese schmutzigen Fetzen wehte der Wind |313| heran, und seltsam doch, daß außer ihm alle Männer nur mit dem Fuß aufstampften und böse wurden, sie alle wurden versucht,
     und sie alle wurden gelockt, und das untote Weib dort draußen sollte sich schämen, die Männer bekamen nämlich unanständige
     Gedanken, die sie für sich behielten, nur der Jüngling mit seinem Hang, das Maul nicht zuzuklappen, flüsterte die Worte leise
     vor sich hin, und die anderen

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