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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Neapel?
    Ja, dort.
    Es ist viel früher geschehen, sagte sie.
    Und was ist geschehen?
    Ich kehre nicht mehr zu meinem Mann zurück, sagte sie leise, ich habe ihm einen langen Brief geschrieben, und er weiß jetzt,
     daß er das Haus und die Möbel behalten kann. Bedauerst du ihn?
    Was?
    Du bist ein Mann, sagte sie, du wärst bestimmt nicht gerne an seinem Platz.
    Wärst du ein Mann, wärst du mir nicht sympathisch, sagte ich.
    Ich bin nicht schlecht, sagte sie, ich habe böse Sachen gemacht, das ja.
    Was denn?
    Ich bin aus der Ferienwohnung meiner Freundin rausgestürmt und habe sie im Stich gelassen. Deshalb |339| mußte sie es tun. Sie hat ihren Mann erschlagen und sitzt jetzt im Gefängnis.
    Oh, verdammt.
    Aber ich wußte es. Sie hat es geplant. Sie wollte ihn töten. Deshalb bin ich hinuntergefahren, um ihr dabei zu helfen. Und
     dann konnte ich es nicht, er hat geweint, und ich wollte nicht Schicksal spielen.
    Das glaube ich alles nicht, sagte ich.
    Das ist geschehen, sagte sie leise.
    Und jetzt büßt du. Das alles ist also die Reue nach dem schlechten Gedanken. Das alles ist also … furchtbar böse.
    Ich habe letztendlich nichts verbrochen, sagte sie.
    Sie griff zu der samtenen Schmucktasche auf dem Tisch und öffnete sie für mich, über einen Stoffinger, der mit einem Druckknopf
     am Innenfutter festgemacht war, waren fünf Ringe gestreift, und sie zog den Reißverschluß auf und zeigte mir die dünnen Armreife,
     die Wallfahrtsmedaille an der Kette, ich hielt seltsamerweise den Atem an, als würde ich glauben, daß ein einziger Atemzug
     von mir sie erschrecken würde, ich war doch hergekommen, weil ich noch hoffte und begehrte.
    Ich bin nicht böse, sagte sie. Deine Freundin, ist sie böse?
    Am Anfang habe ich gedacht, daß sie manchmal böse wird, weil sie sich langweilt. Man straft sie für das, was sie getan hat.
    Sie fand keine Ruhe, hatte sie nicht, zu passenden und unpassenden Gelegenheiten, immer gesagt, daß der Abend zu knapp sei
     und der Morgen zu kurz, sie fand keine Ruhe, aber sie hatte ihren Frieden gefunden, war das ein Akt der Gnade, herumzustreifen
     und sich nicht mehr an den Wegmarken zu stoßen, sie fand keine Ruhe, und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, wenn sie auf eine
     Heftzwecke auf dem Boden trat und darüber |340| in Zorn geriet, da ihr Glaube an die Herrlichkeit der Heiligen sie davor nicht schützte, und sie mußte in der heißen Luftschleuse
     am Eingang von Einkaufshäusern innehalten, es war keine Himmelsbrise, es war kein Höllenwind, es erinnerte sie nur daran,
     daß sie beiseite getreten war, sie hatte neue Eigenarten entdeckt, ihre Ticks wegen des neuen Glaubens, sie gähnte unter Feuermeldern,
     die Worte waren ihr ausgegangen, und sie gähnte, sie fand keine Ruhe, aber das Gähnen half ihr, denn sie wußte in diesen sinnlosen
     Momenten, daß der Abend verging und der Morgen nahte.
    Und nun stellte sie sechs kleine bemalte Tonfiguren auf dem Tisch auf, Maria in einem schwarzen Trauergewand, das ihr bis
     an die Fußknöchel reichte, das mit Saumborte besetzte Tuch auf ihren Haaren, die linke Hand ruhte auf der Brust, die rechte
     flache Hand deutete eine einladende Geste an, die Gruppe der Seelen im Fegefeuer bestand aus einem jungen und einem alten
     Mann, aus einer jungen und einer alten Frau, und einem Hohepriester mit einem Kardinalshut und einer Stola auf den Schultern,
     sie alle waren nackt, die Flammen reichten ihnen bis zum Nabel, sie sahen aus, als würden sie aus Tulpen herausragen, Männchen
     und Weibchen, die wegen ihrer neuen Körperhaltung, zu der sie die Himmelsmacht zwang, Zwergenzorn empfanden, obwohl sie doch,
     im früheren Leben, wie Riesen hassen konnten, der Brand verhieß Läuterung, verhieß Gliederschmerzen und dann Reinigung, reinige
     mich, riefen sie oder wollten rufen, schreien und die Stille verkreischen, aber die Worte waren ihnen ausgegangen, ich sah
     die nebeneinandergereihten kleinen Setzkastenfiguren und Tyras Hand, die sanft über ihre Köpfe strich, und ich sah sie auf
     dem Sofa die Beine unterschlagen, jetzt nahm sie einen Schluck von ihrem Wein und atmete einmal tief ein und aus.
    |341| Es wird weitergehen, oder? sagte ich, du wirst es nicht dabei belassen. Du wirst am Ende als Gläubige aus dieser Sache hervorgehen.
    Weiß ich nicht, sagte sie.
    Man darf den Salzstreuer nicht von Hand zu Hand reichen. Man darf seine Zigarette nicht an einer brennenden Kerze anzünden,
     weil es Unglück bringt. Eine Frau, die mir als Kind

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