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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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plötzlich sah ich sie als so etwas wie eine moderne
     Kurtisane. Du weißt, es ist noch nicht so lange her, da hat man uns Schauspielfrauen für verdeckte Prostituierte gehalten.
    Ja, sagte ich und rieb mir über das Gesicht.
    Also, was denkst du? Es wäre nicht richtig.
    Wieso, sagte sie, du bist doch auch der Liebhaber dieser Frau in Wien.
    Ich bin kein verkommener Verführer.
    Du bringst uns Frauen kein Unglück, sagte sie, das stimmt. Aber Glück finden wir auch nicht bei dir.
    Jarmila, sagte ich.
    Sprich noch einmal meinen Namen aus.
    Jarmila.
    Noch einmal.
    Hör’ bitte zu.
    Nur noch einmal, bitte, flüsterte sie.
    Jarmila.
    Ja, was ist?
    |347| Ich habe noch nicht gefrühstückt, sagte ich.
    Dazu bist du eben noch nicht gekommen, sagte sie, meine berufstätige Freundin legt mir also nahe, meinen Beruf zu wechseln.
     Die Männer, ihre Kunden, seien mal so, mal so. Sie vergißt alles sofort, sie erhält das Geld, und kaum hat sie die Geldscheine
     in ihr Portemonnaie gesteckt, verläßt sie den Mann, den Ort, das Haus, und vergißt. Sie durfte bis jetzt immer wiederkommen.
    Ich kann es dir nicht ausreden. Du hast dich schon entschieden.
    Nein, sagte sie, ich bin noch nicht bereit dafür.
    Ich gehe jetzt frühstücken.
    Nur noch eins: Ich weiß, du triffst dich mit dieser Frau. Sie hat für sich eine Entscheidung getroffen. Du kanntest dich früher
     mit Geld aus. Du kennst dich aber nicht mit Frauen aus. Ich bin ehrlich und spiele auf der Bühne. Meine Freundin ist ehrlich
     und macht es für Geld. Was sonst die Männer und Frauen ihr Leben nennen, ist nur Straßentheater.
    Soll ich dich anrufen, wenn ich wieder auf eine Pestsäule stoße? sagte ich.
    Zwang ist falsch, sagte sie und legte auf.
     
    Wenig später saß ich vor einem renovierten Bürgerhaus, auf der Terrasse des Café Provinz, ein österreichischer Meister und
     seine osteuropäischen Bauarbeiter hatten zwei Tische in Beschlag genommen, und es spornte sie an, daß wir, die ruhigen und
     verlangsamten Bürger, in Zeitschriften Büchern Tagebüchern blätterten, sie unterhielten sich besonders laut miteinander, ein
     Arbeiter versuchte, einer Mutter und ihrer halbwüchsigen Tochter zu imponieren. Er sprach zu ihnen, er sprach in gebrochenem
     Deutsch darüber, daß er gut packen und gut schieben könne, die Vieldeutigkeit seiner Worte schien ihm nicht aufzugehen, denn
     er lächelte nicht anzüglich, |348| sein Gesicht war von der Sonne halb verbrannt, und er knetete grob seinen dicken linken Unterarm und stand abrupt auf, seine
     Freunde versuchten, ihn auf seinen Sitz herunterzuzerren, doch er riß sich los, machte ein paar unsichere Schritte, und dann
     stand er neben der schönen Mutter und fing an, für sich zu werben, immer wieder schielte er auf den entblößten Oberschenkel
     der Mutter, der Seitenschlitz im Rock war ihr hochgerutscht, sie schaute den fremden Mann lächelnd an, ihre Tochter schaute
     sich hilfesuchend um, unsere Blicke trafen sich, ihr Blick glitt weiter.
    Eine Frau, die solch eine Tochter gebiert und schön bleibt, könnte mir gefallen, sagte der Mann.
    Komm wieder her, rief sein Meister.
    Ich sehe keinen Ehering, rief der Mann zurück.
    Hier, sagte die Frau und zeigte ihm ihre Halskette, an der ein dünner goldener Ring hing, doch der Mann stierte nur darauf
     und machte keine Anstalten, von der Stelle zu weichen.
    Du und ich, sagte er, ich und du, das wäre was.
    In einem anderen Leben, sagte die Frau.
    Dieses Leben, dann tot, sagte der Mann, Liebe im Grab hat Gott nicht gerne.
    Lass’ sie in Ruhe, rief sein Meister.
    Du wirst die richtige Frau finden, sagte die Frau lächelnd.
    Mutter, sagte die Halbwüchsige.
    Eine Begegnung wie diese kein zweites Mal, sagte der Mann.
    Ich bin aber schon glücklich mit dem, was ich habe, sagte die Frau.
    Mutter, es reicht.
    Was macht sein Vater? sagte der Mann.
    Er schaut herunter auf dich, sagte die Frau, er paßt auf, daß uns nichts passiert.
    |349| Der Mann starrte hoch, ich tat es ihm gleich, und tatsächlich hing ein Mann aus dem Fenster im vierten Stock, aus dem Augenwinkel
     sah ich, daß der Meister und seine Arbeiter auf diesen Mann starrten, der sich für einen Notfall bereit hielt, das könnte
     ein böses Ende nehmen, dachte ich, doch der Bewerber nickte nur nach oben und nickte der Mutter und ihrer Tochter zu, ging
     wieder zurück an seinen Tisch, trank sein Bier aus, wischte sich den Mund ab und bat die in diesem Augenblick heraustretende
     Kellnerin um die Rechnung, er

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