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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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gelesen.
    Und? sagte ich.
    Wir waren es jedenfalls nicht, sagte er, und dann lachten sie beide, sie lachten so laut, daß der Obdachlose die Augen öffnete,
     und weil Gott den Menschen gibt, damit sie ein Teil weitergeben, stand ich auf, griff in mein Portemonnaie und gab dem bärtigen
     Mann mit dem schönen Gesicht alle Geldscheine, die ich hatte. Gabriel und Napp streiften sich die Hemden über und knöpften
     sie nur am unteren Saum zu, wir traten den Rückweg |355| zum Hotel an, ich bewegte mich langsam, weil mir die Glieder schmerzten, ich heftete meinen Blick auf das Stück Bürgersteig
     vor meinen Füßen.
    Gabriel wollte uns alle zum Wienerwald mitnehmen, und natürlich waren Napp und ich bloße Werbeträger seiner neuen Liebe. Elisabeth,
     die es haßte, Betty genannt zu werden, stand mit einer seltsam unförmigen Schultertasche vor dem Hoteleingang und duldete
     einen langen Wiedersehenskuß, Gabriel mußte sich dafür fast in der Mitte falten. Aus lauter Verlegenheit sprach er über das
     Glück, im Sommer in Wien zu sein, denn ein Drittel der Wiener wäre in Urlaub gefahren, und es stünden ihm in dieser fast entvölkerten
     Stadt genügend Parkplätze zur Verfügung. Er rieb mit dem Daumen den Nagel seines kleinen Fingers blank, Napp hatte er in den
     hinteren Laderaum verbannt, ich saß am Fenster, und Elisabeth in unserer Mitte legte ihren Kopf auf seine Schulter, so daß
     Gabriel lange Zeit linkshändig fuhr, er schaltete mit der Rechten in einen höheren oder niedrigeren Gang, aber sehr behutsam,
     er würde morgen über Nackenverspannung klagen. Elisabeth kam aus reichen Verhältnissen, sie nannte sich eine entlaufene Bürgertochter,
     ihr Vater wußte um ihre Arbeit an einer Hotelrezeption und hatte nichts dagegen, ihre Mutter steckte ihr manchmal Geld zu,
     wenn sie sich zu Schlagobers und Strudel im Kaffeehaus trafen. Ich sollte mir um die Widerspenstige keine Sorgen machen, diese
     meine Liebesgeschichte hörte sich in ihren Ohren zwar recht versponnen an, und sie würde auch keine Erfolgsgarantie geben
     können, doch auch sie hätte es nicht für möglich gehalten, daß sie sich mal in einen baumlangen Mann mit vorwölbendem Leib
     verkucken würde. Gabriel ignorierte meinen finsteren Seitenblick und stierte geradeaus, die Windschutzscheibe war mit verklatschten
     Insekten übersät, mein bester Freund |356| steuerte selten eine Waschanlage an, er vertraute auf den Regen, der kostenlos alles reinwaschen würde. Wir fuhren an dem
     Straßenbahnendhof vorbei und fanden uns im vierzehnten Bezirk wieder, zu beiden Seiten der Straße reihten sich verfallene
     Villen und Einfamilienhäuser aneinander, es gab in den Vorgärten auffallend viele Schilder, die auf die baldige Wohnungsauflösung
     hinwiesen, nach einigen harten Manövern bogen wir hinter Purkersdorf ab nach Mauerbach, Elisabeth, die als Eli angesprochen
     werden wollte, saß jetzt kerzengerade und mit aufgerissenen Augen auf ihrem Sitz, Napp brüllte von hinten, er würde Gabriel
     nach dem Aussteigen eine steile Böschung herunterrollen lassen, denn er würde aus tausend Wunden bluten, Herrgottsakrament.
     Eli zeigte auf ein ehemaliges Karthäuserkloster auf einem kleinen Hügel, und wenig später hielt Gabriel in einer Nothaltebucht,
     Napp stieg hinten aus, und nach einem kurzen Wortwechsel rauchten sie friedlich eine Zigarette und schauten gedankenverloren
     hinunter auf das Tal, Eli balancierte auf der Krone der Umfassungsmauer und sang dabei ein schmutziges Lied, ich schoß in
     Gabriels Auftrag Erinnerungsfotos. Wir legten am Aussichtspunkt in Kahlenberg einen weiteren Halt ein, unten war Klosterneuburg
     mit der Sankt Martinskirche, ein Waldstreifen trennte das Städtchen von der Donau, und als wir endlich auf dem Leopoldsberg
     ankamen, waren wir alle unwillig, durch den angrenzenden Wald zu streifen, wir setzten uns in den Gastgarten hinter der Burg,
     die sich vierhundertfünfundzwanzig Meter über dem Meeresspiegel befand. Ich blickte auf die Obere Alte Donau und die abgeschnittenen
     Donauarme, die kleine und größere Seen bildeten, die Brücken sahen aus wie Wundgarn und die Ufer wie Wundränder, das war Gottes
     Land, ich hatte selten so viel Schönheit gesehen. Der Wirt räusperte sich laut, und wir drehten uns |357| alle nach ihm um, er hielt einen Bierkrug in der einen Hand, und mit der anderen hielt er sich an der Tischkante fest, außer
     uns saßen nur zwei Ausflügler auf der Terrasse, und vielleicht deshalb

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