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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Außenspiegels schuldete, er sagte, wir treffen diese Vereinbarung, und ich nickte nur. In einem Herrenbekleidungsgeschäft
     fand ich einen heruntergesetzten |118| Anzug, die billigen Knöpfe würden nach dem dritten Tragen abfallen, aber es war mir egal, ich behielt ihn an, die Verkäuferin
     sagte, der Anzug würde mit meinem Hemd wunderbar kontrastieren, was sie eigentlich meinte, wußte ich nicht.
     
    Der Leihwagen machte schnelle Wege möglich, ich fuhr herum, um die Zeit totzuschlagen, und schließlich parkte ich ihn vor
     dem vierstöckigen Haus, in dem mein Cousin wohnte. Bestimmt hat er … ich dachte den Satz nicht zu Ende, denn tatsächlich hing
     ein Zettel im Eingangsflur, auf dem der Cousin die ›geehrten‹ Nachbarn darum bat, den Festlärm zu entschuldigen – er war ein
     ordentlicher Mann, das mußte man ihm lassen. Ich stieg hoch und klopfte an, aus der Wohnung waren verhaltene Freudenschreie
     zu hören, und als der Cousin höchstpersönlich die Tür aufriß, sah ich hinter ihm die Frau des Hauses mit Freundinnen tanzen,
     die Musik war auf Zimmerlautstärke heruntergedreht.
    Ich traue meinen Augen nicht, sagte der Cousin und verharrte im Türrahmen.
    Hallo, sagte ich.
    Du hast also meine Karte bekommen, sagte er, und du hast dich entschlossen, diesmal der Sitte zu entsprechen.
    Was für eine Sitte? sagte ich, du hast mich eingeladen, und ich bin da.
    Komm rein, sagte er, natürlich hatte er darauf geachtet, mir weder die Hand zu geben noch mich zu umarmen, ich hatte ihm den
     Gefallen getan, an seine Tür zu klopfen und sollte jetzt die Zeichen der Mißbilligung sehen und spüren. In der Wohnung war
     es sehr heiß, die wenigen Männer, die sich heute, an einem Werktag, herbemüht hatten, standen in einer Ecke des Zimmers, und
     als ich eintrat und der Versammlung unschicklicherweise |119| alles Gute wünschte, erstarrten sie kurz in ihren Posen. Die Frau meines Cousins löste sich aus der Tanzgesellschaft und hieß
     mich willkommen, ich war ihr fremd, sie kannte mich nur aus den Überlieferungen, und in ihren Augen konnte ich lesen, was
     sie dachte: Das ist also der Mann, der mit Börsengeschäften ein kleines Vermögen gemacht hat und nicht mehr arbeiten muß.
     Das ist der Mann, von dem es heißt, daß er uns bekriegt … Tatsächlich hatte ich nach dem Tod meiner Eltern vor zehn Jahren
     alle Verbindungen zur Verwandtschaft gekappt, sie waren für mich nicht länger von Interesse. Ich schaute heimlich auf die
     Hände der Frau, sie waren verätzt, sie zupfte die Ärmel ihrer Bluse über die Handwurzeln, es stimmte also doch, daß ihr Hygienefanatismus
     an Wahn grenzte, es hieß, daß sie mehrmals am Tag die Wohnung saubermachte, ich roch den Duft eines starken Desinfektionsmittels.
     Es schien niemanden zu verwundern, daß alle Stühle, Sofas und Sessel mit einer durchsichtigen Plastikplane bedeckt waren,
     die Gäste ließen sich nichts anmerken, würden sich aber später das Maul über die kranke geschädigte Hausherrin zerreißen.
    Was kann ich dir zum Trinken anbieten? sagte sie händeringend.
    Erst will ich meinen beschnittenen Neffen sehen, sagte ich und hörte den Cousin nach Luft schnappen, er war der Gastgeber
     und zwang sich dazu, mich nicht rauszuschmeißen, er ging vor, und wir betraten das elterliche Schlafzimmer, unter einer monströsen
     bestickten Tagesdecke lag mein Neffe, er starrte mich ernst an, und als ich mich vorsichtig auf die Bettkante setzte, kroch
     er weg, er gefiel mir, er achtete auf den Mindestabstand.
    Meinen herzlichen Glückwunsch, sagte ich lächelnd, jetzt bist du ein Mann.
    |120| Danke, sagte er.
    Er ist dein Onkel, sagte die Frau des Cousins, ich hatte nicht mitbekommen, daß sie uns gefolgt war, ich schaute kurz über
     meine Schulter, und ja, da stand sie, zupfte abwechselnd an ihren Ärmeln oder rang die Hände.
    Danke, Onkel, sagte mein Neffe.
    Er hieß Orkan, Mutter und Vater hatten sich auf diesen Namen geeinigt, der übersetzt Städter bedeutete, und ich mußte lächeln
     bei dem Gedanken, daß ein brausender Sturm über Deutschland fegte und man in allen Medien von dem Jahrhundertorkan sprach.
    Tat es weh? sagte ich.
    Nein, Onkel … ein bißchen.
    Schließlich ist es ein wichtiger Einschnitt in deinem Leben, griff sein Vater ein, er war ein Mann, dem die Doppelbedeutung
     mancher Worte entging, er meinte, was er sagte, und stellte sich taub, wenn man über seine Bemerkungen gutwillig lachte. Ich
     steckte den Briefumschlag, der

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