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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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und
     ›schlechten‹ Fleisch zu reden, sie erwähnten Namen und Sonderpreise für Stammkunden, zu denen sie sich zählten, der eine Mann
     verkündete laut, er würde nach der Wurst gleich ›eine abfischen‹, und danach würde er wiederkommen, um sich zu stärken. Der
     andere Mann hatte es schon getan, er versprach zu warten.
    Ich aß zu Ende und machte mich auf den Weg zum Auto, und als ich davorstand, verfluchte ich alles, was mir in den Sinn kam,
     man hatte den Seitenspiegel zertrümmert, er hing wie ein abgeknickter Puppenarm an bunten Kabeln, und der Backstein war wie
     zum Hohn auf den Boden neben dem Reifen abgelegt worden. Ich stieg ein und fuhr zurück nach Kiel, während der Fahrt zwang
     ich mich, nicht an Tyra und ihr Abbild zu denken, der Wind erfaßte das Auto immer wieder von der Seite und schüttelte es durch,
     ich hielt mich konstant an |116| hundert Kilometer die Stunde, ich war ein miserabler Autofahrer und wollte zur Krönung des Tages meiner Mißgeschicke nicht
     auch noch verunglücken.
     
    Zu Hause machte ich mir als erstes einen Kaffee, wühlte mit einem Finger durch den Packen Briefumschläge, ich hatte mich nach
     meiner Rückkehr aus der Ägäis nicht für die Post interessiert, sie kam von Menschen, die Rechnungen ausstellten, oder von
     Galeristen, die Bilder von neuen jungen Talenten ausstellten. Ich wollte von Kunst nichts wissen und viel weniger von Künstlern,
     aber ich behielt es für mich, denn ich stand schon im Verdacht, als routinierter Rüpel Herzen zu brechen. Ich starrte auf
     die kitschige Festtagskarte, mein Cousin lud mich zum Beschneidungsfest seines erstgeborenen Sohnes ein – war ihm da etwa
     ein Irrtum unterlaufen? Er sah in mir einen Davongelaufenen, und er machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen Abtrünnige,
     die sich der Folklore verschließen. Ein einziges Mal hatte er mir, unter vier Augen, versichert, daß ihm allein bei meinem
     Anblick übel werde, er hielt viel auf sein Temperament, also sagte ich ihm, er sollte sich doch bitte in einem Folkloreverein
     austoben, dort hätte er viele Trottel um sich, die auch an Stammesehre glaubten. Seine Frau ging damals dazwischen, sonst
     hätte er mich windelweich geprügelt, er überragt mich um Haupteslänge. Ich klappte die Karte auf, zwei gekreuzte Rosen im
     Prägedruck, ich mußte lächeln, das war mein Cousin, der Hochzeitskarten im Dutzend billiger einkaufte und sie an allen Festtagen
     verschickte, der Geiz würde ihn noch umbringen. Die Beschneidung war auf morgen angesetzt, der Cousin und ich wohnten in derselben
     Stadt, und vielleicht sollte ich mich seinem Sohn als der ehrenwerte Onkel vorstellen, über den er bestimmt nur Schauergeschichten
     gehört hatte.
    |117| Es war ein Schlag ins Gesicht, Tyra hatte mein Angebot, sie als ihr Liebhaber anzubeten, ausgeschlagen, ich konnte es nicht
     wegträumen. Ich ließ das Licht an, dann löschte ich es, und weil ich wußte, daß ein Traum das Elend übersetzt, aber nicht
     wirklich zersetzt, fürchtete ich mich vor dem Schlaf. Ich lag im Dunkeln, so lange, bis vor meinen starren Augen die weiße
     Wand verschwamm und der Wecker mich am nächsten Morgen wachklingelte. Vor dem Bäcker zu sitzen, in der Kälte, für zehn Minuten,
     zu niesen und zu wissen, daß ich in der falschen Jahreszeit allergisch reagierte, gab mir den Mut, den Tag fortzusetzen. Der
     Friedhofsgärtner ging mit versteinerter Miene an mir vorbei, ich grüßte ihn, und er übersah mich – ich hatte sein Geheimnis
     enthüllt, und er fand, daß ich seiner Gesellschaft unwürdig wäre. Die Bäckerin kam heraus, brachte mir einen Becher Kaffee
     und kurbelte die Markise weiter auf, es war die Zeit, da einige ihrer besten Kunden sich mit letzter Kraft zur Bäckerei aufmachten
     und die Frühstücksbrötchen kauften, sie alle hatten mit einer verschleppten Grippe zu kämpfen, die Bäckerin riet mir, auf
     meine Gesundheit zu achten – was für eine Gesundheit, dachte ich, ich habe nichts, was von mir begehrt werden will, ich sehne
     mich nach niemandem, der sich herbeisehnen lassen will.
    Der frisch aufgebrühte Kaffee schmeckte gut, ich kämpfte gegen den Drang an, auszuspucken, das elende Gefühl auszuspeien,
     es war wirklich kalt. Ich brachte den Wagen zum Bekannten, vor der Zeit und mit einem Schaden, ein seltsamer Mensch war das,
     er sagte, ich könnte das Auto noch für ein paar Tage behalten und ihm dann die zweihundert Euro geben, die ich ihm wegen des
     kaputten

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