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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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angeklatscht auf der Kopfhaut auflag. In der Davidstraße
     sah ich sie, die Reihe der in hohen Stulpenstiefeln und Steppmänteln gekleideten Frauen, sie bliesen sich gelegentlich heiße
     Atemluft in die gefalteten Hände, und als ich sie näher in Augenschein nahm, stellte sich mir gleich die erste in der Reihe
     in den Weg.
    Hübscher, sagte sie, Lust auf ein Schäferstündchen?
    Ich will mich erst umsehen, sagte ich.
    |113| Mußt du das wirklich? Schau lieber mich an, ich bin der Hauptpreis.
    Sie fing an, sich die Brüste zu kneten, ihre Zunge schlängelte über das Lipgloss auf ihren Lippen, ich starrte sie an, obwohl
     ich wußte, daß es fast reflexhafte Übungen waren, um den Kunden am Weiterschlendern zu hindern, jetzt ging ihr Mantel wie
     zufällig auf, und sie kreiste mit ihrem Becken und machte ihren Rücken gerade.
    Bist du ein Jude? sagte sie plötzlich.
    Nein, sagte ich, ganz normaler Deutscher.
    Ich heiße Jacqueline. Und du?
    Ist doch egal.
    Du willst mir deinen Namen nicht verraten. Ist mir recht. Für fünfzig Euro kannst du mich haben. Du verschlingst mich mit
     deinen Augen.
    Na ja, sagte ich.
    Wieso willst du es dir antun? Es ist kalt, und ich sorge schon dafür, daß dir richtig warm wird.
    Gut, sagte ich.
    Sie löste sich sofort aus der Reihe, ihre Nebenfrau rückte auf ihren Pflasterplatz, sie würde die erste sein, die erste, die
     die anströmende Männerschar begrüßte, sie hatte sich einen großen Vorteil verschafft. Ich folgte Jacqueline über die breite
     Straße, und nach wenigen Metern schlüpfte sie in einen Hauseingang, rechts hinter dem Eingang saß in der Portiersloge ein
     Mann mit Lesebrille, er blickte nicht auf, als wir vorbeigingen, wir stiegen die Treppen hoch zum ersten Stock, sie schloß
     auf und trat schnell ein, ein Bett, ein Stuhl, ein Waschbecken mit zersprungenem Porzellan, ich machte hinter mir zu, sie
     setzte sich aufs Bett, ich machte Licht, die Vorhänge waren vorsorglich zugezogen.
    Die fünfzig Euro sind für die Zimmermiete, sagte sie.
    |114| Was hat das zu bedeuten?
    Na, sag’ ich doch. Das Geld geht an den Vermieter.
    Ich habe dich noch nicht angefaßt und muß schon zahlen? sagte ich.
    Stell’ dich nicht so an. Oder, warte mal, du machst es zum ersten Mal, oder nicht?
    Blödsinn.
    Doch, doch, sagte sie und lächelte, ich bin also deine erste Nutte. Ich freu’ mich.
    Wieso denn das? sagte ich.
    Na, weil es so ’ne Art Entjungferung ist. Bei mir kannst du alles haben, oral, Brüste anfassen, Geschlechtsverkehr mit und
     ohne Kuscheln, Sonderwünsche. Im halben Stundentakt verdoppeln sich die Preise. Cash im voraus.
    Ich finde es nicht in Ordnung. Was hast du auf dem Herzen?
    Vorhin hieß es, fünfzig Euro. Ich habe eingewilligt, damit hast du mich geködert. Jetzt heißt es, alles teurer, als du denkst.
    Du kannst dich auch aussprechen, sagte sie.
    Deshalb bin ich nicht hier.
    Eben, sagte sie, lass’ uns einfach damit anfangen.
    Womit?
    Hör mal, sagte sie, hast du was an den Ohren, oder was? Ich hab’ dir die Wunschliste aufgesagt, ich werd’ besonders zärtlich
     zu dir sein, du brauchst dich nur auszustrecken und die Augen zu schließen. Du bekommst was für dein Geld.
    Nein, sagte ich.
    Willst du Ärger machen?
    Ich zog zwei Zwanzigerscheine und einen Zehneuroschein aus der Brieftasche, legte sie auf den Stuhl und ging, nachdem ich
     die verdammte Zimmermiete entrichtet hatte, hinaus, sie schrie mir hinterher, daß ich sie |115| betrogen hätte, daß ich schwul wäre, und fast rechnete ich damit, einem Zuhälter und seinem bulligen Gehilfen in die Arme
     zu laufen, es gab genug perverse, hündisch veranlagte Männer in dieser Gegend, denen es Lust verschaffte, wenn sie käuflichen
     Frauen weh taten, weder gehörte ich zu dieser Sorte Mann noch zu jener der Eingeschüchterten, die sich betrügen ließen. Ich
     war ernüchtert, sie hatte auf mich eingeredet wie eine Vertreterin, die einen Telefonvertrag verkaufen will, ich wollte doch
     nur mit einem Abbild von Tyra schlafen. Der Obdachlose war eingenickt, ich warf eine Handvoll Münzen in seine Mütze, wie konnte
     er nur bei diesem Wind und bei diesem Regen sich auf seinem Pappkarton einkringeln, neben dem Unrat und den leeren Bierdosen?
     Im Imbiß gegenüber bestellte ich eine Wurst ohne alles. Am Holztresen standen zwei Männer und unterhielten sich über ›das
     Angebot‹, sie hörten sich an, als könnten sie auf einen Erfahrungsschatz zurückgreifen, der sie berechtigte, vom ›guten‹

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