Liebesbrand
aber ich habe keine Lust, daß du mir hinterhertelefonierst. Keine
Verpflichtungen, bitte. Kannst du damit leben?
In einem Film würde der Mann jetzt sagen: Es kommt so plötzlich.
Sie ging nicht auf meine blöde Bemerkung ein und sah mich nur an, ich senkte erst den Blick, ich war wirklich befangen, es
hatte aber keinen Sinn, die Antwort auf ihre Frage zu verzögern.
Ja, sagte ich, ich kann dir noch eins versprechen: An unserem Käufer-Künstlerin-Verhältnis wird sich nichts ändern.
Du bist ein Schatz, sagte sie und drückte mir einen fast gehauchten Kuß auf die Lippen, natürlich hatten es die anwesenden
Männer bemerkt, und natürlich wußten sie, daß heute für sie nichts mehr zu gewinnen war, die Belagerung der Unbezähmbaren
nahm ein schnelles Ende, die leeren Sektflöten wurden abgestellt, einer |129| nach dem anderen verließ die Galerie, und ich verfolgte die Flucht der Männer, die ins Freie hinausdrängten, ihre Mäntel zuknöpften
und nach einem flüchtigen Blick auf die schöne Künstlerin davonstapften, sie würden mit diesem kleinen Debakel leben, sie
waren erwachsen und wußten, daß es Zeit brauchte, damit ihr Wunsch in Erfüllung ging. Ich aber war kein Sieger, sie hatte
mich aus der Menge der Bewerber ausgewählt, ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, mich zur Liebe ermächtigt zu fühlen. Gefühle.
Was für eine große Verschwendung.
Johanna verabschiedete sich von dem Galeristen, hakte sich bei mir unter und steuerte ein Café an, das zur Abendstunde sich
in eine Bar im Dämmerlicht verwandelte, wir sprachen unterwegs von dem seltsamen Glück, in Kiel zu leben, hier mußte man genau
wissen, wie man den Tag anging, in den Stadtführern und Wegbegleitern standen nur Lügen, Kiel war ein Außenposten der Kultur,
hier lief alles auf Lebenserhaltung hinaus, die Kleinbürger spielten gehobene Mittelschicht, die Proleten hatten genug von
Form und Fitneß, sie fraßen sich Speck an und kleideten sich trotzdem aufreizend. Wenn man sich der Temperatur der Stadt anpaßte,
verlor man bald den Mut und strich angepeitscht von diffusen Trieben zwischen den Häusern aus Klinker herum. Johanna erzählte
– wir saßen inzwischen auf Barhockern am Tresen – von ihrem Lieblingsspiel, dem Krieg, der einzige Krieg, den Zivilisten führen
könnten, wäre die Schlacht um und in der Liebe, doch sie hätte nicht die geringste Lust, entblößte Leiber in erbarmungswürdigen
Positionen und Stellungen abzubilden, und deshalb also der echte schmutzige widerliche Krieg der Geräte und der Körper, der
Soldat trug einen Helm und wurde getötet, das Flugzeug flog hoch über den Wolken und wurde abgeschossen, die Soldatin war
gleichberechtigt und trat auf eine Mine.
|130| Ich könnte hier und jetzt vor dir auf die Knie sinken, sagte ich.
Wieso denn?
Du bist sehr schön. Und du bist so viel klüger als ich. Blamier’ uns bloß nicht, sagte sie, bleib’ lieber sitzen.
Bist du verliebt?
Es gibt da einen Mann. Er ist dabei, sich aus der Ehe herauszukämpfen. Nicht etwa wegen mir, ich bin später dazugekommen.
Und du?
Ich glaube schon, sagte ich.
Was glaubst du?
Daß ich verliebt bin, und daß sie mich aber verschmäht.
Findest du es komisch, daß zwei Verliebte wie wir zusammenkommen? sagte sie.
Ich wundere mich darüber nicht, sagte ich, es paßt auf eine verquere Art.
Ich habe eine Auftragsarbeit, sagte sie, der Kerl, der mir den Auftrag gegeben hat, taugt nichts, ein reicher Architekt, Ehe
Scheidung, Ehe Scheidung, dann hat er es kapiert. Jedenfalls, er möchte ein Aktbild, einsachtzig mal zweidreißig, die Maße
hat er mir auch vorgegeben. Er kam in mein Atelier, stellte sich vor, sprach von diesem Auftrag, und als ich ihn nach dem
Modell fragte, hat er sein Handy herausgeholt, auf ein paar Tasten gedrückt und mir das Display gezeigt. Ein Schnappschuß,
eine nackte Frau vor einem verschwommenen Hintergrund. Dreimal darfst du raten, was ich dachte.
Ein heimlich geschossenes Foto. Eventuell ohne Wissen dieser Frau.
Richtig, mein Hübscher.
Ich zuckte zusammen, die Prostituierte hatte mich auch so genannt, die Bilder überlappten sich, es zählte jetzt allein, neben
der Künstlerin zu sitzen, ihr dabei zuzusehen, wie sie die Lippen schürzte und an dem Strohhalm |131| sog, sie bestellte einen Cocktail nach, die Aschesäule fiel von der Zigarette ab und landete auf ihrem Jeansrock, und als
ich den Blick über ihre Beine gleiten ließ, entdeckte ich
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