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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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winzige weiße Radiergummizwirbel, die haftengeblieben waren, ich
     schaute den Wirt an, der nach meiner Bestellung fragte, ein großes Glas Mineralwasser, sagte ich, er wandte sich ab, so gehörte
     es sich für einen Mann, der klein war und auf einem Podest hinter dem Tresen stand, eine Frau am Tresenende besah prüfend
     ihre Vinylkrallen, neben ihrem Glas eine Weinflasche mit Serviettenkragen am Hals, die Stoffserviette hatte die Tropfen abgefangen,
     die Frau nahm keine Notiz von jenem Mann, der ihre nackten Fußknöchel bestaunte, welche Frau ist von einem Mann begeistert,
     der sich den Bierschaum nicht von den Bartenden abwischt, dachte ich, das war meine Welt, ich fühlte mich wohl. Johanna legte
     ein blütenweißes Papier über ein paar Münzen auf dem Tresenholz und arbeitete mit einem Graphitstift die Reliefs heraus.
    Schön, sagte ich.
    Um das noch mal abzuschließen, sagte sie, während sie den Stift führte, der Architekt hat, glaube ich, eine nackte Frau in
     der Umkleidekabine fotografiert.
    Wirklich? rief ich aus.
    Beherrsch dich, sagte sie, du mußt ja nicht gleich deine Begeisterung aller Welt mitteilen.
    Ich bin nicht begeistert, sagte ich und lächelte dann, wie hast du dich entschieden?
    Ich mach’s.
    Hoffentlich läßt du ihn richtig bluten.
    Das merke ich mir für das nächste Mal, wenn du mir ein Bild abkaufst, sagte sie, aber ja, ich habe ihm einen unverschämten
     Preis genannt, und er war sofort einverstanden.
    Vielleicht möchte er auch nur seiner Geliebten, die |132| er vor seiner Frau versteckt, ein Geschenk machen. Das soll es geben.
    Eine gewagte Behauptung, sagte sie.
    Ich stoße in letzter Zeit vermehrt auf Menschen, die geschwätzig werden, wenn sie überhitzt sind, sagte ich, in der Wohnung
     gegenüber habe ich einen Studenten dabei beobachtet, wie er auf einem Drehsessel saß, seine stehende Freundin umarmte, er
     umarmte eigentlich ihre Hüften, und wie er auf sie einredete.
    Ein schönes Motiv zum Malen, sagte Johanna, ich werde es mir merken. So, jetzt möchte ich zu dir.
    Ich bezahlte die Rechnung, die Frau mit den verlängerten Nägeln bat beim Wirt um eine Kopfschmerztablette, vielleicht hatte
     sie Kummer wegen ihres Kontostands, oder sie hatte einfach zuviel getrunken – wäre ich Maler, dachte ich, würde ich Porträts
     von Männern und vor allem Frauen zeichnen, die das glänzende Zeug in der Stadt angezogen hatte und die hergezogen waren, um
     zu arbeiten, kleine Siege zu feiern und an Freitagabenden sich schick zu machen. Ich ließ Johanna den Vortritt, und als sie
     den unordentlichen Haushalt in meiner Wohnung sah, gab sie beißende Kommentare ab, der Ex-Börsenmakler bekommt sein Leben
     nicht in den Griff, sagte sie, der gewesene Börsenmakler könnte doch eine Putzfrau verdingen, ich fiel in ihr Lachen ein,
     es war alles tatsächlich ein Witz, und weil sie in der Stimmung war, es sofort im Flur stehend zu tun, fielen wir übereinander
     her, sie nahm sich das, was sie wollte, und ihre Lust peitschte mich an, ich glitt in sie, und sie umschloß mich mit ihren
     Armen und Beinen, es war ein kurzer heftiger Akt, ich wußte, es würde für viele Wochen und Monate bei diesem einen Mal bleiben,
     ich liebte sie dafür, daß sie ihren eigenen heftigen Träumen nachhing und daß sie, je nach Laune, Wünsche erfüllte oder Wünsche
     abschlug. Sie brachte |133| ihre Kleider in Ordnung, und ohne in den Spiegel zu schauen, band sie ihr Haar zu einem Knoten, es konnte nicht sein, daß
     sie über Nacht blieb, denn wir hätten nur froh und verschämt im Bett gelegen und kein Auge zugetan.
    Es war mir eine Freude, sagte sie und bat um ein Glas Wasser, und dann trank sie das Glas in einem Zug leer, am rechten Unterbauch,
     fuhr sie fort, an der Blinddarmnarbe bin ich taub. Du hast mich dort gestreichelt, ich habe es dumpf gespürt.
    Mir lag es auf der Zunge, ihr zu versichern, daß ich mich beim nächsten Mal um ihren linken Unterbauch bemühen würde, doch
     ich besann mich eines Besseren, es hätte nach der Bitte um ein Versprechen geklungen, ich beließ es bei einem Lächeln, und
     dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloß, draußen stockdunkle Nacht, hier das Durcheinander der Gegenstände, der Möbelstücke,
     die ich in eine neue Ordnung verrückte, jetzt konnte ich gerade Wege gehen.
     
    Ich war gerade dabei, die angeschlagene Gipsbüste eines kahlen Poeten mit einem Hitlerbärtchen zu versehen, als das Telefon
     klingelte, der Kugelschreiber fiel mir vor Schreck

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