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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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ihrem Chef und einem fremden Herrn, den sie für einen Steuerprüfer
     halten mußten. Ein Blick genügte, um zu wissen, daß ich richtiggelegen hatte, hier stand Tyras Mann vor mir, doch ich war
     nicht auf einen vielleicht fünfzigjährigen Mann vorbereitet gewesen, er war schlank, hielt sich gerade, trieb wahrscheinlich
     Sport, in solche Männer wie ihn verliebten sich meist Studentinnen im ersten Semester Jura.
    Ja, bitte? sagte er.
    Ich bin nicht von hier, sagte ich, ich bin den ganzen Weg von Kiel nach Nienburg gefahren, um Tyra zu sehen. Um genau zu sein:
     wiederzusehen.
    Sofort verdüsterte sich sein Gesicht, und er schaute hastig über die Schulter, dann blickte er mich feindselig an.
    Verschwinden Sie auf der Stelle, sagte er.
    Ich bin ein Studienfreund von ihr, sagte ich, Sie verwechseln mich mit jemandem.
    Mit wem sollte ich Sie denn verwechseln?
    Ich habe keine Ahnung, sagte ich, ich will Ihnen nicht zu nahe treten.
    Sie ist bei ihrem Professor in Göttingen, stieß er böse |137| hervor, das Mittelalter hat es ihr angetan. Wenn ich das schon höre! Mittelalter! Will ihre Doktorarbeit machen. Führt sich
     auf wie eine Studentin. Dabei möchte sie sich nur … lassen wir das.
    Sie ist also nicht in der Stadt?
    Sie sind nicht ihr Studienfreund, sagte er leise, wenn ich Sie hier in meinem Laden noch einmal sehe, werfe ich Sie eigenhändig
     raus. Und jetzt hauen Sie lieber ab.
    Ich wandte mich zur Tür, und da hörte ich zwei Worte, von denen ich nicht wußte, ob sie dieser Mann hinter meinem Rücken wirklich
     ausgesprochen hatte, die Worte verfolgten mich den ganzen Weg bis zum Auto, sie fraßen sich in mich hinein, und ich mußte
     mich sehr anstrengen, um nicht von der Straße abzukommen, und dann war ich mir sicher, ›Diese Marketenderin!‹ hatte er gezischt
     und damit seine Frau gemeint. Wurden mit dieser Berufsbezeichnung nicht jene Dirnen belegt, die im Mittelalter den Soldaten
     und auch den Mordbrennerhaufen hinterherzogen? Er hatte mich durchschaut und in mir den Liebhaber seiner Frau erkannt, und
     doch war er vor allem wütend auf Tyra, der er unterstellte, jedem Mann, der es sich leisten konnte, ihre Liebesdienste anzubieten.
     Er schimpfte sie nicht Flittchen oder Nutte, er beschimpfte sie mit einem Wort aus ihrem Spezialgebiet. Ich hätte mich vielleicht
     geschickter anstellen sollen, brachte ich sie in Bedrängnis? Ich entschied, mein Gewissen nicht länger damit zu belasten,
     ich zweifelte nur daran, daß ich der einzige … Bettpartner war, mit dem sie sich gelegentlich vergnügte, ihre periodisch auftretenden
     Ausbrüche waren Routine, und bestimmt hatte ihr Mann sie bei kleinen, keineswegs harmlosen Lügen erwischt, bestimmt hatte
     er die Ehebrecherin steinigen wollen, in diesen zivilisierten Tagen natürlich nur im Geiste.
    Ich fuhr einen kleinen Bogen um Hamburg, machte |138| halt an einer Raststätte und ließ mich über die Auskunft mit der Verwaltung der Göttinger Universität verbinden. Ich mußte
     einem Ausländer mit einer kehligen Aussprache mein Anliegen erklären, er versprach, das Menschenmögliche zu versuchen, ich
     dachte über seine komische Ausdrucksweise nach, und dann hatte ich tatsächlich die Geschäftsführende Sekretärin des Seminars
     für mittlere und neuere Geschichte am Apparat, ich gab mich als ein Journalist aus, der für einen großen Artikel über deutsche
     Universitäten Hintergrundinformationen sammelte.
    Ich bin kein Leck im Rohr, stellte sie fest, Sie werden mich nicht dazu bringen, eine Indiskretion zu begehen.
    Dann habe ich mich mißverständlich ausgedrückt, sagte ich, ich will von Ihnen nur das wissen, was jeder herausfände, wenn
     er sich auf dem Campus herumtriebe.
    Dann kommen Sie doch her, sagte sie.
    Ich kann meine Spesen nicht in Rechnung stellen, sagte ich, ich müßte die Reise aus der eigenen Tasche bezahlen. Ich verdiene
     nicht so viel.
    Sie war sofort besänftigt, es war Monatsmitte, und schon jetzt mußte sie wahrscheinlich in Discount-Supermärkten einkaufen,
     um das Dispolimit nicht zu überschreiten.
    Schießen Sie los, sagte sie.
    Wie sieht Ihr Arbeitsplatz aus?
    Das Seminar ist im Blauen Turm untergebracht, der Lack ist mit der Zeit abgeblättert, und wenn die Sonne auf die Fassade scheint,
     sticht die blaue Unterfarbe hervor. Mein Schreibtisch steht im zweiten Stock, es gibt insgesamt dreizehn Stockwerke.
    Eine Unglückszahl, sagte ich.
    Junger Mann, sind Sie etwa abergläubisch?
    |139| Nein, nicht

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