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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Porzellanschüsseln
     mit Kartoffeln und Knödeln, der Bürgermeister erzählte, aus Respekt vor dem Fremden in gebrochenem Deutsch, von der großen
     Sehnsucht Prag, die er nie gehabt hatte, er wollte gerade zu einer anderen Anekdote überleiten, als seine Frau die Papierserviette
     entzweiriß, die Hälfte ihrem Mann gab und uns allen verkündete, daß sie und ihr Mann auf diese Weise wohlhabend geworden wären.
     Alle Gäste schwiegen für einen Moment, dann lachten sie über den guten Witz, doch die Gastgeberin |225| beharrte darauf, eine völlig ernste Bemerkung gemacht zu haben, ihr Mann konnte sie nur mit Mühe zum Verstummen bringen. Nach
     einer weiteren halben Stunde bat Jarmila um die Erlaubnis, sich zurückzuziehen, genauso drückte sie es aus, im Flur überreichte
     ihr der ehemalige Bürgermeister einen kleinen Umschlag und machte ihr Komplimente. Seine Frau eilte herbei und riet Jarmila,
     auf seine Avancen nicht einzugehen, er will Sex mit fremden Frauen, schrie sie, wir alle hatten es gehört, ich stürzte die
     Treppen herunter, und erst draußen wandte ich mich nach Jarmila um, die im Gehen die Scheine im Umschlag zählte.
    Sie ist so, wie sie ist, sagte sie kichernd, ich halte sie für eine lustige Frau.
    Ihr Mann ist also völlig unschuldig, sagte ich.
    Er sieht in mir die wundervolle Schauspielerin, er schmeichelt mir. Er würde sich hüten, in seinem Leben besonders phantasievoll
     zu werden.
    Mir schien, als hätte Jarmila eine Anspielung gemacht, die ich nicht verstand, weil ich nicht verstehen wollte, weil ich zu
     dieser Stunde eigentlich nur auf einem weißen Plastikstuhl ohne Polster sitzen, auf die Festung auf dem Hügel starren und
     gedankenverloren mit einem Bierdeckel spielen mochte. Und tatsächlich, sie fragte nicht erst, sie steuerte die Terrasse eines
     Cafés an, und wir saßen wirklich auf billigen Gartenstühlen und nippten an kalten Fruchtcocktails, das Kondenswasser am Glas
     fiel in Tropfen auf die Zehenkappe ihrer Ballerinaschuhe, auf dem Spann waren Tüllanemonen aufgenäht, und als sie die Beine
     übereinanderschlug, verliefen die Tropfen und fielen auf die kleinen Pflastersteine unter dem Tisch.
    Eine Stunde lang hingen wir stumm unseren Gedanken nach, und ich hatte seit langer Zeit das erste Mal das Gefühl, daß es weder
     zu früh noch zu spät war, mir |226| fiel keine Beschäftigung ein, der ich mich hätte widmen wollen, statt die schlendernden Menschen zu betrachten. Sie bezahlte
     die Rechnung, und auch wir entschieden uns ohne Absprache zu schlendern, doch nach kurzer Zeit wurde sie müde, beschleunigte
     ihren Schritt und bog in Gassen, die andere Gassen schnitten, bis wir vor einem Hotel an einem großen Parkplatz standen, an
     der Rezeption verschwendete sie keine Zeit, sie schrieb ihren und meinen Namen auf das Anmeldeformular, ließ sich den Schlüssel
     aushändigen, wir nahmen den Fahrstuhl und stiegen im dritten Stock aus, ich ließ sie zwei Schritte vorgehen, sie schloß auf
     und stemmte sich mit der Schulter gleichzeitig dagegen, die Tür knallte gegen die Wand. Tatsächlich sah es in der Suite genauso
     aus, wie sie es mir beschrieben hatte, die Rosengirlande an der Wand, der Klapptisch, der Sessel und der Standspiegel auf
     Scherenbeinen, sie sah flüchtig hinein und fuhr sich schnell mit der Hand durch die Haare. Ich sah auch das Sofa, das von
     einem straffen Schonbezug gestaucht wurde, und legte meinen Sommermantel ab, wir mußten uns nicht erst absprechen, sie ging
     sofort ins Bad, und ich nutzte die Zeit, um aus meinem Hemd und meiner Hose zu schlüpfen, dann stand ich in Unterhemd und
     Unterhose mitten im Zimmer und überlegte, was ich in dieser Situation am besten tun sollte. Diese Situation: die Frau im Bad,
     der Mann in Unterwäsche im Schlafraum – ich setzte mich hin und wartete. Ich hörte die Toilettenspülung, ich hörte sie den
     Wasserhahn aufdrehen, ich hörte sie gurgeln und ausspucken.
    Kann ich rauskommen? rief sie aus dem Bad.
    Keine Gefahr, rief ich zurück, ich bin noch halb angezogen.
    Dreh’ dich bitte um und schließ’ die Augen, sagte sie.
    Ich habe die Augen geschlossen, sagte ich.
    Die Badezimmertür ging auf, und ich spürte einen
    |227| Luftzug, weil sie schnell zum Bett huschte und unter die Decke kroch, es vergingen einige Sekunden, und da sie schwieg, öffnete
     ich die Augen, heftete meinen Blick auf den Holzfußboden und schloß mich im Badezimmer ein. Als ich wieder herauskam, hatte
     sie das Licht

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