Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
Vom Netzwerk:
Fahrstuhl im Schacht dröhnen.
    Alles still.
    Nur ihre Uhr.
    Und ihre Atemzüge.
    Du hast einen lustigen Kopf, sagte sie.
    Danke, sagte ich.
    Du hast warme Hände, sagte sie, das ist schlecht.
    Soll ich meine Hand wegnehmen? sagte ich.
    Ja, bitte, sagte sie, ich habe nicht damit gerechnet, daß du brennst.
    Sie stieß mich mit dem Hintern weg von ihrem Körper, und ohne nachzufragen, wußte ich, daß ich nicht länger im Bett neben
     ihr liegen durfte, sie war ganz sicher nicht sprunghaft, sie wollte nur wahr von falsch trennen, und manchmal kam es vor,
     daß sich ihr Wunsch erfüllte, doch sie sah es sich an, sie schaute dann, wie man Fingerabdrücke auf der Glasplatte ansieht,
     und machte ihren Wunsch rückgängig.
    Jetzt lag ich wieder auf dem Sofa und wunderte mich über meine Folgsamkeit, begann so der Niedergang, fing ich an zu zerfallen,
     weil ich mich fügte?
    Du bist nicht schuld, sagte sie, schuld sind deine Hände. Sie beruhigen nicht, sie stacheln auf.
    Ist in Ordnung, sagte ich, laß uns schlafen.
    Nein, noch nicht, rief sie, ich muß dir noch erzählen, wieso mich die Mätresse der reichen Männer abstößt. Sie hatte eine
     Katze, eine schwarzweiß gefleckte Katze, und irgendwann wurde sie trächtig und warf fünf Kätzchen. Sie hat sie alle in einen
     Korb gebettet und in die Tiefkühltruhe gesteckt. Nach einer halben Stunde war Ruhe, sie sind eingeschlafen und nicht mehr
     aufgewacht. Sie hat mir gesagt: Das ist eine menschliche Form, Katzen zu töten.
    Ach du Schande, sagte ich, das ist ja gottlos.
    |231| Wir hatten längst aufgehört, daran zu glauben, an Gott, statt dessen schmückten wir unsere Plätze mit Statuen, sie waren in
     Gesten der Richtungsweisung eingefroren, und wir starrten sie an, es machte ihm nichts aus, angestarrt zu werden, dem toten
     Stein, er war machtlos, er war uns ausgeliefert … Weshalb verschwendete ich nur Gedanken daran, ich war müde, ich hatte eine
     fast sinnlose Situation überstanden, erst hatte ich dieser tschechischen Schauspielerin gehorcht und für einige Sekunden ihre
     nackte Brust umfaßt, und nur weil sie ihre Erregung nicht verbergen konnte und weil meine Hand brannte, hatte sie mich wieder
     zurückgeschickt aufs Sofa. Ich verstand, ich sah ein, ich kam den Bitten nach, und am Ende dachte ich fast immer nur an Tyra
     und ihre Lügen, an mich und meine Verschwendung.
    Du hast an sie gedacht, nicht wahr? sagte sie.
    Nein, log ich, ich habe mich nur über meine Wortwahl gewundert.
    Es ist aber gottlos, sagte sie, sie glaubt, sie ist unsterblich. Sie hat einmal bei Rot die Straße überquert, und ein Passant
     hat ihr zugerufen: Frau, bist du unsterblich? Sie hat gesagt: Ja, das bin ich.
    Was heißt ›Mimo provoz‹? sagte ich.
    Außer Betrieb. Wo hast du es gelesen?
    Auf der Herrentoilette, an einem Urinal war ein Schild angebracht.
    Jetzt weißt du es, sagte sie, die Männer in meinem Leben, ich habe mich wirklich immer, ohne Ausnahme, in Männer verliebt,
     die ein Musikinstrument spielen konnten, all die Männer, in die ich mich verliebte und mit denen ich mich verlobte, diese
     Männer in meinem Leben könnten zusammen ein Orchester bilden. Wobei die Zupfinstrumentspieler eindeutig in der Überzahl sind.
    Und der Verdammte? sagte ich.
    |232| Schluß mit dem Bettgeflüster, rief sie, ich wünsche dir eine gute Nacht.
    Ja, gute Nacht, sagte ich, ich wußte aber, daß wir nur eine Weile aushalten würden, schweigend in der Dunkelheit zu liegen,
     von draußen drang das Gelächter besinnungslos betrunkener Männer, es waren britische Billigurlauber, die so ausgelassen waren,
     daß sie auf schöne Tschechinnen mit bloßem Finger zeigten, ich hatte sie auf dem Weg zum Hotel gesehen, nicht die Festung
     auf dem Hügel, noch die Kirchen und Brunnen in Brünn interessierten sie, Lärm und Sex und Bier – es gefiel ihnen nur das,
     was sie von zu Hause kannten. Ich wunderte mich nicht, daß Jarmila plötzlich neben dem Sofa stand und auf mich herabschaute,
     ich wunderte mich nicht, daß sie sich niederkniete zu einem Kuß auf meinen Mund, und es wunderte mich auch nicht, daß sie
     unter meine Decke schlüpfte und halb auf mir lag, und weil wir schamvoll waren, begnügten wir uns damit, an der Haut des anderen
     zu riechen, sie schlief ein in meiner Umarmung und mit meiner Hand auf ihrer Brust.

[ Menü ]
|233| 6
    Ich hatte auf kein Zeichen gewartet, auf keinen Riß im Himmel oder eine verwehte Wolkenschliere, nicht auf den Verdammten, der mir einen

Weitere Kostenlose Bücher