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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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zweiten Zettel zustellen
     ließ, nicht auf ein kleines Fundstück auf der Straße oder den Zuruf eines Betrunkenen, in dessen Worten ich viel Sinn erkannte.
     Dies war der Tag nach meiner Rückkehr nach Prag, und es hatte sich nichts verändert, das Schlechtwetter setzte den Tschechen
     zu, ich sah sie an den Haltestellen ungeduldig in die Richtung spähen, aus der die Straßenbahn kommen sollte, ich sah sie
     hastig rauchen, und wenn ein Straßenmagazinhändler sie ansprach, drehten sie ihm schnell den Rücken zu und bewegten die Lippen,
     um einen stummen Fluch aufzusagen. Ich saß auf einer Parkbank auf dem Jan-Palach-Platz mit Blick auf den Eingang des Universitätsgebäudes,
     und jedesmal, wenn von innen die Türen aufgestoßen wurden, starrte ich mit klopfendem Herzen auf die Frauen. Sie trugen, wie
     es für Studentinnen typisch war, Rucksäcke oder robuste Umhängetaschen, ihre Damenschuhe hatten hohe dicke Absätze, und sie
     tändelten nicht auf der Freitreppe, sondern zerstreuten sich sofort draußen und verloren sich auf den Straßen. Ich hatte mir
     in einer Plastiktüte belegte Brötchen vom Frühstückstresen mitgenommen, und in den Stunden, da ich voller Hoffnung wartete,
     griff ich hinein, wickelte ein Brötchen aus der Papierserviette und aß in großen Bissen. Es gab für mich sonst nichts zu tun.
    Und dann sah ich sie. Und sie sah mich. Meine Liebe |234| Tyra, dachte ich, Tyra, meine Liebe. Sie blieb auf der zweiten Treppenstufe, und während ich mich ihr näherte, nicht vorsichtig
     und nicht ernst, schaute sie mich prüfend an, ich schämte mich der Plastiktüte in meiner Hand und meiner abgelaufenen Anzugsschuhe.
     Ihr schönes blondes Haar. Der knielange Rock. Der schwarze breite Gürtel mit der großen Schnalle. Sie hat ein wetterfestes
     Make-up aufgelegt, schoß es mir durch den Kopf, falls es heute noch regnen sollte, werden die Regentropfen ihr Rouge nicht
     aus dem Gesicht waschen können, sie sieht hier in Prag entschlossener aus, natürlich, sie ist aus dem Gefängnis der Kleinstadt
     ausgebrochen und hat vielleicht ihren Mann für immer verlassen, sie …
    Du verfolgst mich, sagte sie tonlos und hielt ihre Dozententasche vor die Gürtelschnalle.
    Ich verfolge dich nicht, ich bin dir gefolgt, sagte ich.
    Was willst du?
    Das ist doch offensichtlich.
    Muß ich wegen dir Angst haben? sagte sie.
    Nein, um Gottes willen. Ich will dir doch nichts antun.
    Was willst du? wiederholte sie.
    Der Busunfall, setzte ich an, dann der doch so unwahrscheinliche Zufall, daß wir uns in deiner Kleinstadt wiederbegegnen.
    Es ist nicht meine Kleinstadt, stellte sie fest.
    Natürlich, sagte ich, was ich meine, ist … das alles ergibt einen Sinn.
    In deinem Kopf vielleicht, sagte sie.
    Eher in meinem Herzen, sagte ich.
    Was ist in der Tüte drin?
    Belegte Brötchen, eine Zeitung, ein Stadtführer.
    Zeig’ sie mir, sagte sie.
    Ich ließ sie in die Plastiktüte hineinsehen, und wie um |235| jeden Zweifel auszuräumen, daß ich sie nicht verletzen wollte mit einem stumpfen oder spitzen Gegenstand, nahm ich das Brötchen,
     die Zeitung und den Stadtführer heraus und zeigte sie ihr, ich machte ihr sogar den Vorschlag, die Tüte sofort abzulegen,
     meinetwegen auf die Treppenstufe, ich zog sogar die Taschen meines Sommermantels heraus, sie sollte doch so etwas nicht glauben,
     wie konnte sie nur denken, ich gehörte zu den Männern, die verrückt sind und verrückt spielen, die Frauen nachstellen, in
     der Hoffnung, sie könnten sie auf diese Weise zermürben oder ihre Kraft brechen.
    Ich frage dich ein letztes Mal: Was willst du von mir? Können wir uns nicht auf die Parkbank setzen und uns unterhalten?
    Nein, sagte sie.
    Bitte, sagte ich, im Stehen kann ich nicht gut sprechen.
    Ich habe eine Verabredung.
    Zehn Minuten, sagte ich, schenk’ mir zehn Minuten deiner Zeit.
    Sie hielt Abstand, wir gingen über die Straße, und sie setzte sich an das äußerste Ende der Parkbank, und weil ich sie nicht
     in die Flucht jagen wollte, setzte ich mich an das andere Ende, ich hatte nur diese wenigen Minuten.
    Noch einmal, das ist mir wichtig: Ich verfolge dich nicht. Ich habe dich gesehen, und ich habe angefangen, mich nach dir zu
     sehnen. Ich bin eher dumm als gefährlich. Erst dachte ich, es ist nichts, nur ein bißchen Verliebtheit, es wird vergehen.
     Ich bin kein Frauenheld. Ich bin eher schüchtern. Ich lasse mich sonst nicht zu Abenteuern hinreißen. Ich bin ein einfacher
     Mann. Und du hast meine Welt auf

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