Liebesbrand
blitzschnell auf und rannte weg.
Im nächsten Moment trat die Rezeptionistin aus der Tür und schrie dem Verdammten hinterher, sie half mir auf, sie half mir,
mich im Foyer auf einen Lederpolsterstuhl zu setzen, sie reichte mir ein feuchtes Tuch, das ich auf meine Schläfe preßte,
nein, sagte ich, bitte keine Polizei, es bringt nichts, ich sah sie trotzdem weiter auf die Telefontasten drücken, lassen
Sie das, sagte ich, da sprach sie aber schon in den Hörer, ich fuhr mit dem Aufzug hoch, schloß mich ein in meiner besseren
Gefängniszelle, die ich nicht mehr verlassen wollte, in eurer Stadt bin ich ungeschützt, rief ich böse, und es nutzte nichts,
daß man mich auch in anderen Städten geschlagen hatte, und als es an der Tür klopfte, sprang ich auf, bestimmt wollte sich
ein Zellennachbar bei mir wegen meiner lauten Verwünschungen beschweren, doch es war nur Jarmila, es war sie, die mir sofort
die Hand an die Wange legte, ich drehte mich um und ließ sie herein.
Wieso mußt du dich immer verletzen? sagte sie, du läufst in jede Faust und in jeden Fuß. Du ziehst es an.
Ich verletze mich, weil andere Menschen mich verletzen wollen.
Konntest du den Angreifer sehen?
Es war dein Freund, sagte ich.
Ihr Blick blieb an den Patronenhülsen hängen, und sie sah auch den aufgefalteten Zettel mit den sonderbaren Bildbuchstaben,
sie nahm mir den mittlerweile körperwarmen Lappen ab, ging ins Bad, kam zurück und drückte mir das nasse Tuch auf die Stirn,
ich hatte kein Fieber und ich mochte es nicht, daß das kalte Wasser in meinen Nacken lief, aber ich wehrte mich nicht, ich |218| wehrte mich auch dann nicht, als sie, wie sie beteuerte, einen klugen Bekannten anrief, sie erklärte ihm die Zeichen, ich
merkte es daran, daß sie mit den Fingern ihrer freien Hand die Buchstaben in die Luft malte, sie beendete das Gespräch und
gab mir mein Mobiltelefon zurück.
Vermisch Mist, sagte sie.
Ich starrte sie an.
Das erste Zeichen, das aussieht wie ein Kerzenständer ohne Fuß, bedeutet: Vermisch! Es ist eine Aufforderung. Das zweite Zeichen,
das Q mit dem Schrägstrich an der falschen Stelle, heißt: Mist. Mist wie Vogel- oder Pferdemist.
Was soll der Blödsinn? sagte ich.
Er ist eben nicht richtig im Kopf, stellte sie fest, diese Buchstaben entstammen dem alchemistischen Alphabet. Bei uns in
Prag gab es vor Jahrhunderten viele von den Männern, die aus Metall Gold machten … Alchemisten. Sie waren alle Betrüger.
Dein Liebhaber ist ein Fall für die Psychiatrie, sagte ich.
Nenn’ ihn nicht so.
Wieso nicht?
Der Teufel soll ihn holen, sagte sie, er will dir nur Angst einjagen.
Der Mann schickt mir einen Drohbrief, schrie ich, drei Patronenhülsen! Was meint er wohl damit? Er droht mir mit dem Tod,
verdammt noch mal. Dann paßt er mich auch noch draußen ab und schlägt mich zusammen!
Nicht so laut, bitte.
Ich starrte sie wieder an.
Er hat diesen schönen Abend zerstört, flüsterte sie, dabei habe ich mir soviel Mühe gegeben.
Ja, sagte ich, du warst sehr gut, du warst wunderbar.
|219| Danke, sagte sie, ich habe die Liwanzen erwähnt. Ist es dir aufgefallen?
Ja, sagte ich, danke.
Da erzählte sie mir, stehend und ihr Auge reibend, von dem anderen Hotelzimmer, in Brünn, der zweitgrößten Stadt der Tschechen,
in Brünn wäre das Hotel und darin ein Zimmer, in dem man sie unterbringen würde, jedesmal wenn man sie zu einem Auftritt überreden
konnte, aber was heißt überreden, sagte sie, ich bekomme Geld dafür, und es sind einfach sehr höfliche Menschen dort, in Brünn,
sie stellen es so dar, als wäre ich eine Diva, die ihnen die Bitte gnädigerweise nicht abschlägt. In dieser Hotelsuite also,
fuhr sie fort, zieht sich eine Rosengirlande eine Handbreit unter der Zimmerdecke über alle vier Wände, und dasselbe Muster
findet sich auch auf der umgeschlagenen Bettdecke, ein Klapptisch mit halbrunden Platten, die hochgeklappt sind und auf Stützbeinen
stehen, ist vor einen Sessel am Fenster geschoben, und … einen schwenkbaren Spiegel auf Scherenfüßen gibt es auch in dieser
Suite, und einen alten Fernseher auf einer dunkel gebeizten Kommode, in der ein Holzwurm nagt und nagt, und man denkt, ich
denke immer, ich könnte nicht einschlafen, aber es ist ein unermüdliches süßes Nagen, der Wurm nagt mich in den Schlaf, und
wenn ich einschlafen kann, kannst du es auch, morgen, ja, so müssen wir es machen, morgen fährst du mit mir mit, nach Brünn,
diese Suite
Weitere Kostenlose Bücher