Liebesbrand
den Kopf gestellt.
Ich habe damit nichts zu tun, sagte sie, ich habe dir diese Nachricht hinterlassen.
|236| Es war eine wunderbare Nacht, sagte ich.
Glaubst du?
War es das für dich nicht? sagte ich.
Ich bin fremdgegangen, sagte sie, ich war gerade in der Stimmung dafür.
Du hast keine Kinder, oder?
Nein, sagte sie, ich habe es nur behauptet.
Und zwischen dir und deinem Mann ist auch alles erloschen.
Erloschen, sagte sie, was für ein dramatisches kitschiges Wort. Wir haben uns nichts mehr zu sagen, das stimmt. Er führt eine
Apotheke, und ich hasse Apotheken.
Ich habe mich in dich verliebt, sagte ich.
Du bist sehr einfältig, sagte sie, weißt du, weshalb ich in Prag bin?
Du schreibst eine Arbeit.
Über Marketenderinnen. Über Frauen im Troß eines Heeres. Sie waren Köche, sie kümmerten sich für Geld um die Wäsche der stinkenden
Soldaten, und wenn sie wollten, schliefen sie mit den Männern, auch gegen Bezahlung.
Ja, sagte ich.
Warst du in der Apotheke meines sogenannten Mannes?
War ich.
Ich bin dir deswegen nicht böse. Hat er mich eine Marketenderin genannt?
Hat er, sagte ich.
Bin ich das für dich?
Nein.
Ich interessiere mich nicht für dich, sagte sie.
Weißt du, Tyra, setzte ich an, es hat für mich etwas angefangen. Mit dir hat es begonnen, ich habe nicht nachgedacht, ich
habe mir die Dinge nicht zurechtgelegt, und |237| ich habe keine fixen Ideen. Ich weiß, du könntest jetzt sagen: Was geht es mich an, daß du derart überhitzt bist. Es gibt
so viele Gründe, hart zu sein, mich nach Hause zu schicken. Es gibt sogar gute Gründe für dich, mich für einen Verrückten
zu halten. Ich bin nicht krank.
Du willst mit mir schlafen? sagte sie.
Nein. Ja. Aber vor allem will ich, daß du mit mir essen gehst. Lern’ mich kennen.
Wie abgeschmackt, sagte sie und stieß vor Zorn die Luft durch die Nase aus.
Zwei Stunden deiner Zeit, in einem Restaurant, mit einem Mann, von dem du weißt, daß er hochverliebt ist. Und wenn es dein
Wille ist, mich dann trotzdem zum Teufel zu jagen, siehst du mich nie wieder.
Ich werde nicht mit dir schlafen. Es bringt nichts.
Ein Abendessen, sagte ich.
Morgen um acht Uhr treffen wir uns hier. Wir gehen essen. Dann sehe ich dich nicht wieder.
Sie stand auf, drehte sich um, preßte ihre dicke Schultertasche an die Seite und ging davon, ich schaute ihr nach, ich schaute
auf ihre Fesseln, ihre Waden, auf ihren Po, der den Rock ausfüllte, und ich bekam Lust, ich sollte ihr hinterherlaufen und
sie an mich drücken, und als der Drang immer stärker wurde, wandte ich mich von ihrem Anblick ab, sie liebte mich nicht, sie
war nicht in mich verliebt, unsere Begegnung hatte keine Spuren bei ihr hinterlassen, und ich war ein Idiot. In ihren Augen
war ich ein Idiot. Sie konnte nichts mit einem Idioten anfangen. Sie konnte keinen Idioten begehren. Ein Mann, mit dem sie
eine Nacht verbracht hatte und der ihr hinterhergereist war, konnte gefährlich werden, er konnte den Preis für seine Mühen
verlangen, er konnte ihr das schöne Leben in Prag verderben. Ich hatte ihr versprochen, mich zu benehmen. Also war ich vielleicht
kein Irrer.
|238| Aber ein liebeskranker Idiot. Wie trennte man begehrenswerte nette gute ernste Männer von den lästigen verteufelt impertinenten
unglaublich uninteressanten Männern? Es gab keine Regel. Woran erkannte man einen Idioten? Er wollte nicht hören, er hing
einer Idee an, und in seinen Träumen sah er das Abbild der Frau, die ihn in der Wirklichkeit verlachte. Was konnte eine Frau
schon mit ihm anfangen, mit dem Idioten? Nichts. Ich war ein Mann, der sich als Tourist verkleidete, um seinen Liebeswahn
zu verhüllen, und das Idiotische an meinem Betrug konnte ihr nicht verborgen bleiben. Und sie? Sie hatte etwas völlig Neues
angefangen, und sie erkannte in mir die blöde dumme lahme Bestie aus dem alten Leben. Nun gab es keine Regeln für sie. Jetzt
ging es nur noch darum, eine Arbeit über blöde dumme lahme Marketenderinnen zu schreiben, verdammt noch mal, das war nicht
in Ordnung, doch ihr Doktorvater, der Göttinger Gelehrte, lobte sie bestimmt, feuerte sie an und sprach davon, daß es ihr
guttat, wenn sie Ordnung brachte in ihr Leben, wenn sie die Leichen verwesen ließ. Sie hatte mich nicht angeschaut, als wäre
ich ein Gespenst, oder ein Irrer, oder ein Idiot, sie starrte mich an, und ich kam mir vor wie eine Leiche. Es war verloren.
Ich saß auf der Parkbank, aß lustlos das letzte
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