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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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das dir unangenehm ist. Vielleicht bringe ich dich zum
     Lachen, ich hoffe es. Mir ist aufgefallen, daß die Tschechen weder zu selten noch zu oft lachen, sie lachen dann, wenn es
     etwas zum Lachen gibt. Also, ich finde das seltsam. Den tschechischen Kellner wirst du aber bestimmt zum Lächeln bringen,
     mindestens zehnmal an dem Abend. Falls ich dramatisch werde, zupfst du deine Stoffserviette vom Schoß und wirfst sie mir ins
     Gesicht. Du verläßt, ohne ein weiteres Wort, das Restaurant und überläßt mir die Rechnung. Natürlich würde ich in jedem Falle
     dich zum Essen einladen. Du mußt es mir nur erlauben. Ich bin altmodisch, ich lade jede Frau, mit der ich essen gehe, ein,
     egal wie ich zu ihr stehe.
    Ich wohne im Hotel J. in der Elisky-Peskove-Straße. Keine Mißverständnisse. Wenn du magst, können wir uns am Springbrunnen
     treffen, der auf einer kleinen ausgebauten Verkehrsinsel steht, keine zwanzig Schritte vom Hotel entfernt. Ich werde dort
     auf dich warten. Ist neunzehn Uhr fünfundvierzig genehm? Ich warte etwa eine Stunde, dann würde meine Hoffnung schwinden,
     daß du dich einfach nur verspätet hast. Dann wüßte ich, daß es für dich eine Zumutung ist, wenn du mit mir essen gehst. Selbstverständlich
     werde ich nie wieder vor der Philosophischen Fakultät stehen. Es war für mich die einzige Möglichkeit, dich wiederzusehen.
     
    |245| Das Wasser schoß in Fontänen hoch, die Düsen waren im Spalt angebracht, der eine schwere Granitplatte durchzog, der Wind spielte
     mit dem Brunnenwasser, und es spritzte über den Beckenrand und ließ die Kinder aufschreien und wegspringen. Die hellerleuchtete
     Straßenbahn hielt an der Haltestelle, schöne geschminkte blondierte Frauen in weißen Regenmänteln stiegen aus, hielten kurz
     inne, um sich umzusehen, sie zupften an losen Strähnen, sie lösten und knoteten ihren Gürtel, um mit geradem Rücken daherzuschreiten,
     sie bedachten die entgegenkommenden Männer mit keinem Blick, sie überquerten den Springbrunnenplatz, gingen vorbei an der
     Parkbank, auf der ich saß. Die Reklametafel, deren Eisenpflock in einem großen Blumenkübel einbetoniert war, verkündete neues
     Glück, die Menschen in weißen Anzügen und Kostümen standen in einem strahlenden Paradies, ich konnte erkennen, daß für Eigentumswohnungen
     geworben wurde, und ich mutmaßte über den Werbespruch, ›Schaffen Sie Ihr eigenes Paradies‹ könnte die Zeile unten vielleicht
     lauten, oder: ›Ihr Haus im Himmel – ziehen Sie ein‹. Es war die Stunde, da das Licht langsam schwand, es war meine schönste
     Stunde.
    Auf diesem Platz stand einmal ein sowjetischer Panzer, sagte sie, der erste Panzer, der eingerollt ist. Die Studenten haben
     ihn immer wieder rosa übermalt, die Behörden ließen den Panzer jedesmal in Kriegsgrün anmalen. Es ging jahrelang so weiter.
     Dann wurde der Panzer einfach entfernt. Das Geschichtsmonument verschwand, und die Tschechen waren froh.
    Tyra machte keine Anstalten, sich hinzusetzen, ich erhob mich und stellte mich an ihre Seite, die große Sonnenbrille stand
     ihr gut, das Kirschrot auf ihren Lippen biß sich mit der Hornfassung ihrer Brille, sie aber war wunderbar unbekümmert, ich
     dagegen zerbrach mir den Kopf, wie ich mich an mein Versprechen halten |246| konnte, sie nicht mit dramatischen Liebesbekundungen zu belästigen. Ich blieb still, und sie lächelte mich von der Seite an,
     ein einziges Mal, und ich fühlte mich dadurch ermuntert, ihr von meinen Tagen in Prag zu erzählen, in meiner Geschichte kamen
     natürlich keine Frauen vor, ich sprach von Prag als der Hauptstadt der schwermütigen Vollbluteuropäer, und in dem Moment,
     da ich es aussprach, war es mir schon peinlich, also fragte ich sie, ob sie sich wohlfühlte hier, und sie kam gleich auf ihre
     Arbeit zu sprechen, auf die Kämpfe und Intrigen im Dreißigjährigen Krieg, sie zählte Daten und Namen auf, die ich sofort vergaß,
     es war nur wichtig, ihrer Stimme zu lauschen, es ging nur um sie und das Feuer, das die Arbeit in ihr entfacht hatte.
    Wie schade, dachte ich, daß du mich nicht liebst, Tyra. Wie schade, daß du nicht von mir träumst, daß du mich nicht vermißt
     hast. Daß du mir nicht deine Schauplätze in der Stadt zeigen willst, damit ich mich freue mit dir. Wie schade, daß wir durch
     die Straßen gehen und die Tschechen in uns keine Verliebten erkennen.
    Dann erwähnte sie Jan Hus, einen Christenketzer, jedenfalls hätte ihn die offizielle Kirche als

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