Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
Vom Netzwerk:
ihre Unterhaltung bis zu diesem Moment lebhaft, und wer hat am meisten gesprochen, meine Frau oder ihr Liebhaber, saßen sie nahe beieinander, wie nahe, und konnte man daran sehen, ob sie ein Liebespaar sind, war ihnen ein Bewusstsein davon anzumerken, dass sie sich unstatthaft verhielten, würden Sie eher sagen, es war ein selbstbewusstes Hinwegsetzen über Konventionen oder völlige Gleichgültigkeit, und wer von beiden schien sich mehr darüber zu freuen, den anderen zu sehen, kamen sie zusammen, oder erst der eine, dann der andere, erst meine Frau oder erst ihr Liebhaber, und haben sie sich bei der Begrüßung geküsst, Wangenkuss oder auf den Mund, und wessen Zunge …?
    Armer Ernesto. Ich hatte ihn nicht nur zu meinem Jago gemacht, sondern auch zu meinem Gyges. Ich hatte ihn dazu gebracht, jede Bewegung Marisas zu beobachten, und führte sie ihm dadurch in Wahrheit vor, präsentierte sie ihm nackter als Kandaules seine Frau, denn die Königin von Lydien hatte sich nur fürs Bett entkleidet, während Marisa von Ernesto ja auf frischer Tat ertappt werden sollte. Doch damit nicht genug. Als stets aufmerksamer Zeuge von Marisas zunehmender Untreue war er zu einem Beteiligten geworden, einem Parallel-Liebhaber geradezu, in Geheimnisse eingeweiht, über die er besser Bescheid wusste als ich. Und mehr noch, er war auch zu einem Parallel-Gehörnten geworden. Er hatte Interesse an Marisa gefunden, auf meine Veranlassung hin, sich womöglich sogar in sie verliebt, und musste nun, so wie ich, den Schmerz erdulden, neben Marius nur zweite Geige zu spielen. Als ich ihn bat, Marisas Mund zu öffnen und zu beschreiben – lentamente, Ernesto, e con espressione –, wie Marius seine Zunge hineinführte, bereitete ich ihm wahrscheinlich Qualen, die genauso unerträglich waren wie meine eigenen.
    Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Nachdem ich ihn drei, vier Wochen lang ausgefragt hatte, brach er zusammen.
    Â»Ich kann Ihnen nicht länger geben, was Sie von mir verlangen«, sagte er, noch ehe das Taxi vor seinem Haus anhielt.
    Ich bat den Taxifahrer, uns zurück nach Marylebone zu bringen. Ein erschöpfter, flehentlicher Blick trat auf Ernestos Gesicht. »Keine Angst«, sagte ich. »Ich stelle Ihnen keine Fragen mehr. Ich weiß, dass sie heute Abend sowieso nicht da waren. Kommen Sie einfach rein, trinken Sie ein Glas mit mir.«
    Marisa war nicht da. Sie hatte mir gesagt, sie wolle zu Freunden aufs Land – ein Geburtstagsfest von jemandem, mit dem sie bei der Telefonseelsorge zusammengearbeitet hatte –, aber ich war überzeugt, dass es Marius’ Freunde waren, auch wenn schwer vorstellbar war, dass er überhaupt welche hatte. Ich vermute, dass er mit ihr in die Welsh Marches gefahren war. Dort wollte er sie Leuten vorführen, die sich noch an ihn erinnerten, als er dort Busfahrer gewesen war. Jetzt kehrte er als Eroberer zurück, mit der Frau eines anderen Mannes am Arm.
    Marisas Abwesenheit war förmlich zu spüren. Es war reine Gefühlsduselei von mir, kaum war sie gegangen, das Haus in Melancholie versinken zu lassen, das Licht zu dämpfen, keine frischen Blumen zu kaufen, nicht abzuwaschen. Es entsprach der vertikalen Spielart des Subspace, in den ich hinabstieg, wenn niemand mehr da war zum Reden, wenn niemand mehr nach Informationen ausgequetscht werden konnte, wenn nur noch Stille im Haus war, Marisa nicht da und ich auf unserem Bett lag, hörte, wie sich ihre Kleider lösten, obwohl sie vielleicht Hunderte Kilometer entfernt war, und dann das klebrig schmatzende Geräusch, für das es keine Bezeichnung gibt, der sich öffnenden Portale ihres Körpers.
    Das heißt, wenn sich ihr Körper überhaupt schon für Marius geöffnet hatte.
    Statt Ernesto zu verschrecken und ihn nach oben zu bitten – wer weiß, vielleicht dachte er noch, ich hätte ihn, im Geiste Victor Gowans, ins Haus gebeten, um ihm mit dem Anblick meiner obszön sich auf einem Diwan räkelnden Frau eine Freude zu machen –, bedeutete ich ihm, am Küchentisch Platz zu nehmen, und goss ihm ein Glas Wein ein. Er bat mich um Kaffee, ich kochte ihm welchen.
    Â»Es ist schwer zu erklären«, fing ich an, aber er wehrte mit erhobener Hand ab.
    Â»Es ist nicht schwer zu erklären«, sagte er. »Ich verstehe das. Jeder Mann kennt diese Gefühle. Wir gehen unterschiedlich damit um. Kurz nach unserer Hochzeit hatte

Weitere Kostenlose Bücher