Liebesdienst
denn?«
»Man fügt sich der Untreue seiner Frau.«
»K önnen Sie mir das buchstabieren?«
Felix buchstabierte ihm das Wort.
»Ist das ein Fetisch?«
»Ich weià nicht. Wahrscheinlich.«
»Ist das da Ihre Frau?« Er zeigte auf eine Frau, die vollständig in schwarzes Gummi gehüllt war und mit dem Mann tanzte, neben dem Felix eben gestanden hatte und der ebenfalls einen Ganzkörperanzug aus Gummi trug. Die beiden küssten sich â durch welche Ãffnung in dem Anzug konnte Felix nicht erkennen â ineinander verschlungen wie ein Paar kopulierender schwarzer Schlangen.
»Nein«, sagte Felix. »Aber wenn, hätte ich bestimmt meinen Spaà an ihr.«
Queequeg justierte eine der Nadeln in seiner Wange und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Er konnte seinen Unmut kaum verbergen. »Das Tanzen verdirbt das Ganze«, sagte er, wie aus dem Zusammenhang gerissen. »Zu viel Pose, wenn Sie mich fragen. Die spielen doch alle nur.«
Was wäre die Alternative?, fragte sich Felix. Dann sah er, dass sich in dem Dungeon eine Gruppe zusammengefunden hatte, und diesmal entschied er mitzumachen. Eine stark geschminkte Frau, ihrer Erscheinung nach skandinavisch, lie à Wachs auf den Penis eines Mannes tropfen. Der Mann war mit Lederfesseln an einen Stuhl gebunden, wie man sie zur Sicherungsverwahrung in Irrenhäusern findet. Bei jedem heiÃen Tropfen stöhnte er auf, aber konnte die Hände nicht rühren, um sich zu schützen. Jedes Mal wenn sich die Frau über ihn beugte, streiften ihre Haare sein Gesicht. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, vermutete Felix, fragte ihn, ob alles in Ordnung sei. Aber sie küsste ihn auch. Als alles vorbei war, umarmten sie sich. Felix war neu hier und konnte zur Einsch ätzung der Situation nur auf seinen Instinkt vertrauen, doch andere Gäste kannten sicher den Unterschied zwischen einer rein sexuellen Transaktion und einem echten Liebesakt. Und auch sie, so schien es, betrachteten das hier als einen Liebesakt.
Es lieÃen sich viele solcher Liebesakte beobachten. Ein wunderschönes, geschmeidiges Mädchen mit bernsteinfarbener Haut, auf ein Folterrad geschnallt, vor ihr ein junger Mann in einem Ledermantel, der das Rad in Schwung brachte und der offenbar groÃe Stücke auf die Frau hielt. Die Peitschenschläge, die er ihr zufügte, entsprachen wohl eher ihrem Verlangen als seinem, wie Felix an den verkrampften Schultern des Mannes zu erkennen meinte. Es gab einige Leute, die ohne jede Hemmung drauflosschlugen, wobei ihre Körper eins wurden mit den Bewegungen der Flogger, der Peitschen. Der Freund des M ädchens mit der bernsteinfarbenen Haut dagegen musste sich überwinden, die Schläge auszuführen, er floggte sich selbst. Mal schlug er ihr auf die Brüste, mal auf den Bauch, sogar auf ihr Schambein, und bei jedem Schlag zuckte er zusammen, das Mädchen nicht. Vielleicht wusste sie, wie schön sie aussah, wenn ihr nackter Körper in dem Licht rotierte. Vielleicht wusste sie auch nur, wie sehr der Mann sie liebte.
Felix kämpfte gegen sein empfindsames Wesen an. Nicht alles, was er sah, gefiel ihm. Ein Mann in Chaps, die Pobacken ausgespart, ging den Gästen auf die Nerven, weil er alle Frauen fragte, ob sie ihn anpinkeln wollten. Ein anderer in der gleichen Montur dr ängte sich Paaren auf, die in intime Handlungen verwickelt waren, und wurde schlieÃlich, wenn auch äuÃerst höflich und diskret â denn wo man sich verletzlich und ausgelassen gibt, wird Benimm groà geschrieben â, des Lokals verwiesen. Häufig lieà sich auch nicht klar ausmachen, wo eine Gefühlsregung endete und Effekthascherei anfing. Ein männliches Gegenst ück der Belle-Epoque-Mätressen, hochmütig und ein bisschen lachhaft in seinen engen Reithosen und dem Hemd, das sich von Felixâ Rüsche gar nicht so sehr unterschied, kam einem Paar in den Sechzigern in eindeutig professioneller Funktion zu Hilfe, auch wenn Felix nicht erkennen konnte, dass Geld zwischen ihnen ausgetauscht wurde. Die Frau lag auf einer Krankenbahre, in einer Körperhaltung, als hätten gerade Wehen eingesetzt. Der Ehemann erinnerte in seiner gesammelten Konzentration an einen Medizinstudenten, der zum ersten Mal sah, wie eine Leiche seziert wurde, gemalt von einem holländischen Meister. Mit mehr Elan als nötig schob der Peiniger den Rock der Frau hoch, unter dem sie nackt war,
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