Liebesdienst
Also, meine Frau fickt. Sie sollten sich darüber freuen. Oder haben Sie Angst, sie würde dadurch den Ruf dieses anständigen Viertels ruinieren?«
»Verbessern tut sie ihn jedenfalls nicht«, sagte sie.
Die Hohepriesterin der sexuellen Mysterien, in Sorge um den Wert ihrer Immobilie.
Immobilien waren sicher nicht die Sorge des pensionierten Medienanwalts, der in Witwereinsamkeit auf der anderen Seite von uns wohnte â ein lieber Mann mit geplatzten Ãderchen im Gesicht, der uns, wenn die Sonne schien, auf ein Glas Sherry, den er sich aus Portugal schicken lieÃ, in seinen Garten einlud. Doch auch er schien mir Mariusâ Kommen und Gehen zu verfolgen, ohne recht zu wissen, was er davon halten oder was er dazu sagen sollte.
»Wie geht es Marisa?«, fragte er mich manchmal. Er machte sich Sorgen um sie, das wollte er mir damit deutlich machen.
»Wissen Sie«, sagte ich eines Abends zu ihm, als wir in seinem Garten saÃen und die Glocken von Marylebone sechs schlugen; wir tranken Sherry, nur er und ich, wie zwei alte Freunde; ich war ohne Marisa gekommen, die irgendwo unterwegs war. »Sie gehen falsch an die Sache heran. Stellen Sie sich vor, wir sind in Rom und unterhalten uns über Kleopatra. Ich bin Agrippa, der nie aus der Stadt herausgekommen ist, und Sie sind Enobarbus, der in der Welt herumgekommen ist und mit seinen Erzählungen über den Nil Eindruck auf mich macht. Also ⦠die Bark, in der sie saà â¦Â«
Er versuchte sich hineinzudenken, aber ihm fehlte der nötige Wortschatz. »Sie ist ein bildhübsches Mädchen«, sagte er, schenkte mir nach und wurde rot, »darüber kann man nicht geteilter Meinung sein.«
Dann lieà er mich allein mit meiner Sehnsucht nach Beschreibungen, wie herausgeputzt sie war, welche asiatischen Düfte ihrem Körper entströmten, wie liebeskrank die Winde nach ihr waren.
Am Ende war es Marisas eigene Krankheit, die mir mehr und mehr Sorgen machte. Irgendetwas nagte an ihr. Es war mir erst gar nicht aufgefallen, aber plötzlich hatte sie hohle Augen. Sie lieà Essen auf dem Teller übrig, was sie in der ganzen Zeit, in der ich sie kannte, nie getan hatte. Sie drückte ihre Zigarette aus, kaum hatte sie einen Zug getan, und zündete sich gleich darauf die nächste an. Sie fing Gespräche an und verlor dann die Lust sie fortzusetzen. Sie versäumte Termine, lieà zwei Wochen hintereinander den blinden Mann sitzen und erschien sogar zu den Tanzstunden nicht, die ihr so kostbar waren, dass sie dafür, wie ich oft dachte, selbst meine Beerdigung hätte ausfallen lassen. Dass sie ihre Tanzstunden vernachlässigte, erschien mir besonders bedeutsam, denn der Sommer stand vor der Tür, und die städtischen Plätze in London bereiteten sich auf die diversen Festivitäten vor, die Marisa so liebte â Tanztees im Covent Garden, Gesellschafts- und alte Tänze vor dem National Theatre, Tango im Regentâs Park.
Und sie hörte auf, mir nachts von ihren Erlebnissen mit Marius zu erzählen.
Vielleicht war ich der Grund dafür, auch wenn ich wieder den fügsamen Ehemann gab. Mein nimmersattes Ohr brachte sie in Bedrängnis, das konnte ich verstehen. Aber eigentlich glaubte ich nicht, dass es an mir lag. Vielmehr sah sie liebeskrank aus, und obgleich ich annehmen durfte, dass sie mich immer noch liebte, so war das doch keine Liebe mehr, die einem dunkle Ränder unter die Augen trieb. Also musste es Marius sein. Irgendwas stimmte nicht mit den beiden.
Ich hatte verschiedene Theorien, was ihren Kummer betraf. Hauptsächlich bezogen sie sich auf Mariusâ Charakter. Marius, der Abweisende; Marius, der das tat, was er am besten konnte â andere abzuweisen. Ein schonungsloser Bericht über meine Rolle in dieser Affäre würde mir sicher unterstellen, das sei von Anfang an Teil meiner Absichten gewesen. Wegen genau dieses Wesenszugs hätte ich ihn ausgesucht. Wenn Marisa litt, litt sie dann nicht genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte, ja, wie ich es mir gewünscht hatte?
Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass ich Marisa hätte schaden wollen. Was hätte das für einen Sinn gehabt? Ich wollte, dass sie sich in Marius verliebte, unsterblich, denn das würde mir wehtun, nicht ihr. Aber ich sehe auch, dass ich auf irgendeiner Ebene ihre Erniedrigung ersehnt haben könnte, als Preis oder gar Bedingung meiner eigenen. In dem Fall trug ich
Weitere Kostenlose Bücher